Hallo, liebste Fein­din Vergeblichkeit!

Eric Pfeil hat etwas getan, was er nie vorhatte zu tun: Konzerte in Wohnzimmern zu geben

Leute, die Särge tragen, Paare, die sich trennen sollten, Vormittage, die mit einem Nervenzusammenbruch beginnen, »etwas Böses kriecht ins Helle«: Es geht nicht harmonisch zu in den neuen Liedern von Eric Pfeil. Er verweigert die Ironie und bietet keine Versöhnung an. Und dennoch sind seine Stücke tröstlich, haben eine angenehm strömende und fließende Ausstrahlung, weiche Kanten und ein wenig Schmelz. Es gibt das Bild von der Kanne warmer Milch, auf deren Grund eine tote Ratte liegt. Ein zu böses Bild für die Musik des Kölners, aber sagen wir so: Die Leute, von denen er singt, würden sich nicht wundern, setzte man ihnen diese Kanne vor. »Ich mag die Düsternis des Alltags, das Groteske an Beerdigungen«, bekennt Pfeil. 

 

Was das Tröstende an seiner Musik ist? Wer sie hört weiß, ich gehöre zu den Überlebenden. Der Trost stellt sich nicht über die Identifikation mit dem Sänger her, sondern im Gegenteil: über die Distanz. Pfeil singt nicht autobiographisch (zumindest nicht offensichtlich), wenn er auftritt, dann mag er das Unperfekte, nicht das emotional Exaltierte, und seine elegante, lässige Erscheinung verrät nicht den Schmerzensmann. Das lenkt den Fokus auf die Texte, geschliffene, hart gekochte Tagebuchnotizen, kaum Handlung, die Verse verdichten sich zu Metaphern. Diese Reduktion lässt einen die Lieder über Tod, Verlust und immer wieder: die Vergeblichkeit aushalten. Pfeil ganz knapp: »Songschreiben ist schöner als Auftreten« und singt: »Dein Notizbuch ist auch nur ein Friedhof.«

 

Im vergangenen Winter ist er aber aufgetreten. In Wohnzimmern. In Köln, Oberammergau, Münster, in der sächsischen Provinz. »Darin lag der Reiz: Etwas zu machen, was mir gar nicht liegt. Jeden Tag an einer anderen Wohnungstür zu stehen, Hallo, ich bin’s, ach, ihr habt es aber nett! Für mich ging davon eine starke Spannung aus. Es gab keine Routine.« Nur er und seine Gitarre, ein paar Freunde haben ihn hier und da musikalisch unterstützt. »Ich wollte nicht über eine PA singen. Es ist direkt in den Raum hineingesungen, keine Verstärkung.« 13 Lieder hat Pfeil aus der Wohnzimmer-Tournee für sein neues Album ausgesucht. Er betont: »Ich bin kein kumpeliger Typ, Distanz ist mir wichtig. Mir ist diese heimelige Atmosphäre fremd. Aber ich wollte mit der Erwartungshaltung spielen. Viele Leute haben gedacht, da kommt jetzt so ein Liedermacher, der macht uns einen kuscheligen Abend. Musik zum Bartkraulen. Ich habe dann Beerdigungsmusik gespielt, Lieder über den Tod, düsteres Zeug.«

 

Tatsächlich setzt sich Pfeil viel und intensiv mit Inszenierung auseinander. Er hat jahrelang Konzertkritiken für die FAZ geschrieben, sie gehören zu den besten musikjournalistischen Texten, die in den letzten zehn Jahren erschienen sind. Pfeil weiß, was ein Club ist und wie er sich darin zu bewegen hat. »Wenn Du daran interessiert bist, einen Mythos um Deine Person zu schaffen, der ja immer auf einer geschickten Inszenierung basiert, dann solltest Du ganz dringend keine Konzerte in Wohnzimmern geben.« But he did it again and again und herausgekommen ist eine hochgradig artifizielle Singer/Songwriter-Musik, die unprätentiös und mit staubverschmierten Schuhen auftritt.

 

Und so artifiziell ist sie nun auch wieder nicht, Pfeil liebt die Musik, hat immer Musik gespielt, und irgendwann, als er auch dem letzten von uns erzählt hatte, was ein tolles Konzert auszeichnet, wagte er den Schritt ins Studio: »Als ich die erste Platte eingespielt hatte, hatte ich danach keine Lust mehr journalistisch zu schreiben. Da meinte mein damaliger Produzent, Ekki Maas von den Erdmöbeln: Du Idiot, warum hast du auch angefangen, Musik zu machen? Musik ist das schönste auf der Welt, daneben kommt einem jede andere Tätigkeit wie die schlimmste Arbeit vor. Das ist eine absolute Aussage, aber mit hohem Wahrheitsgehalt.« Pfeil zuckt mit den Schultern: »Mein Interesse an neuer Musik ist ziemlich erlahmt.« Er will nicht mehr die Vielfalt suchen, nur noch in die Tiefe gehen. Die findet er bei Nils Koppruch und Tilman Rossmy, für die er Hochachtung hat, und aktuell bei Kofelgeschroa, die er liebt (»Du kriegst aus denen die Seltsamkeiten nicht rausgekloppt.«). Die Perspektive ist klar: Schlichtheit, aber bitte raffiniert. »Ich möchte gerne noch melodielosere Stücke schreiben und mich dabei auf Blues-Muster stützen. Ich will kein Blues-Sänger werden, aber ich merke, mich interessieren Monotonie und Wiederholungen immer mehr.«

 

Vielleicht kann man den Status seiner aktuellen Lieder mit nervöser Resignation bezeichnen. Noch ist das gelassene Warten aufs Nirvana keine Option. Noch lässt ihn der Weckruf »Carpe Diem!« einen Kaffee frisch aufbrühen. Noch singt er von Feinden, nicht von Zuständen, die man hinnimmt: »Nein, der Feind ist nicht der Tod, der Feind ist nicht Zeit, der Feind ist die Vergeblichkeit.« 

 

Und die Zukunft? »Ich würde gerne ins Mikroskopische gehen. Berghütte, einen Monat frei, keine Ideen, aber direkt alles aufnehmen, was einem durch den Kopf geht. Und dann noch die Bänder mani-pulieren. Das wäre so eine Syd-Barrett-Platte.« Die Songs von Barrett mit ihren zarten Alice-in-Wonderland-Phantasien stimmen einen übrigens wirklich tottraurig. Die Texte von Pfeil haben den Charme, uns vor der einen oder anderen Traurigkeit zu bewahren. 

  

Tonträger: Eric Pfeil, »13 Wohnzimmer« (Trikont/Indigo), erscheint am 16.6.

 

StadtRevue präsentiert

 

Konzert: Fr 16.6., King Georg, 20 Uhr

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