Vertrauen in schlechte Musik

Laibach zeigen einmal mehr auf, dass in jeder Politik ein totalitärer Kern schlummert

Im Rahmen der »Pluriversale VI«, dem Festival der Akademie der Künste der Welt, gab das slowenische Künstlerkollektiv Laibach eine exklusive Performance. In der Volksbühen am Rudolfplatz, ausgerechnet! Ihr Auftritt war ironischer Triumph und charmante Geste zugleich. Wir hatten im Vorfeld berichtet und gehofft, die Band würde unsere eingereichten Fragen rechtzeitig beantworten. Ihre Kollektiv-Antworten trudelten erst nach Redaktionsschluss ein. Aber sie sind einfach zu gut, um sie unseren Lesern vorzuenthalten.

 

Laibach gründete sich 1980, im Jahr von Titos Tod. Zehn Jahre später war das kommunistische Jugo-sla-wien, in dem Sie aufwuchsen, Geschichte. Mit Jugoslawien scheiterte auch eine utopische Idee. Was können wir von dieser Idee und ihrem Scheitern für die Zukunft Europas lernen?


Wir sollten nicht vergessen, dass auch der Kapitalismus eine Utopie ist. Wir werden von gescheiterten Utopien angetrieben. Das Scheitern des jugoslawischen Kommunismus war unser Zeichen für die Zukunft Europas, aber Europa wollte nicht davon lernen. Jedes Mal, wenn wir scheitern, sollten wir besser scheitern und wir hoffen, dass Europa wirklich gut scheitern wird.

 

 

Sie haben 2015 mehrere Konzerte in Nordkorea gespielt. Nach Ihrer Rückkehr zeigten Sie sich von Ihrem Aufenthalt positiv überrascht und erzählten, dass die Zensurbemühungen verhältnismäßig moderat gewesen seien. Ist das nordkoreanische Regime smarter, als der Westen gerne annimmt?


Natürlich ist es das. Könnte es dümmer oder weniger intelligent sein, als der Westen behauptet?

 

 

Was hat sich die nordkoreanische Regierung von Ihrem Auftritt versprochen?


Vielleicht sahen sie Laibach als westliche Entsprechung ihrer nordkoreanischen Volkskultur. Wir haben auf jeden Fall unsere Aufführung als offene Aufklärungsarbeit für die Menschen dort verstanden, und zwar im Rahmen des Kulturaustauschprogramms, das die nordkoreanische Regierung Schritt für Schritt entwickelt. Wir verfolgten unsererseits keine versteckte Agenda. Natürlich wussten sie nicht, wen sie wirklich ins Land einladen — wir haben mit schlauer Diplomatie gehandelt, um hereinzukommen. Als sie herausfanden, was Laibach ist, war es schon zu spät. Aber alles ging am Ende gut, die Aufklärung geschah tatsächlich in beide Richtungen.

 

 

In fast vier Jahrzehnten hat sich Laibach zwar entwickelt, ist aber im Kern gleich geblieben. Warum ist Ihnen Identität so wichtig?


Ohne Identität wären wir ohne Identität. Wir wussten nicht, dass Identität für uns so wichtig ist — aber jeder fragt uns danach, also muss es wohl so sein.

 

 

Bringt zeitlose Identität Unsterblichkeit? Oder verspricht stattdessen der Moment als kleinste Zeiteinheit Unsterblichkeit?


Wir sind unsterblich nur per Definition. In Wirklichkeit sind wir völlig vom Zeitgeist, seinen kleinsten Einheiten und seiner Zeitlosigkeit definiert.

 

 

Ist Laibach vielleicht nur die Projektion unserer Wünsche?


Viele Leute wünschen sich das. Aber wir wollen und können nicht nur auf einen Wunsch reduziert werden.

 

 

Das künstlerisch-strategische Prinzip von Laibach ist Überidentifikation. Wenn Sie extremer sind als das Extrem, werden die Belagerten nicht neuen Strategien finden? Wird die Extreme nicht die Mitte dauerhaft besetzen?


Die Extreme besetzt ja bereits die Mitte. Wir können sie also nur zurückerobern, wenn wir extremer sind als sie. Das bedeutet, dass wir uns anpassen und auf ihre Frequenz kalibrieren müssen, um von ihr aufgenommen zu werden. Aufgenommen, nicht verdaut natürlich.

 

 

Studien sagen, dass geschlossene rassistische oder rechtsextreme Weltanschauungen heute selten sind. Ist die Rechtsextreme aufgeklärter als in der Vor-Internet-Ära?


Offensichtlich. Während die Linken reden und Zeit in intellektuellen Streitigkeiten verlieren, handelt die Rechte und holt die Ernte ein. Aufklärung ist kein Privileg der Aufgeklärten.

 

 

Die amerikanische Politikwissenschaftlerin Nancy Fraser sprach nach der Wahl von Donald Trump von dem »Ende des progressiven Neoliberalismus«. Die Aneignung der progressiven Linken und ihrer Kernthemen — Feminismus, Identitäts- und Genderpolitik — durch den Neoliberalismus habe die extreme Rechte gestärkt und die Linke geschwächt. Was hätten Sie denn bei Trumps Inauguration Party aufgeführt, wenn Sie gefragt worden wären?


Trump gewann auch die Wahlen, weil er einige Punkte der radikalen linken Anti-Globalisierungs- und Anti-Establishment-Agenda aufgenommen hat. Wären wir gebeten worden, bei seiner Einweihung zu spielen, hätten wir sicherlich unsere Version der amerikanischen Hymne und vielleicht auch die chinesische, russische und britische Hymne gespielt. Und dann noch »Americana«, »Bossanova«, »Resistance is Futile«, »Koran«, »How The West Was Won«, »Alle gegen Alle«, »Ballad of A Thin Man«, »My Favorite Things«, »Climb Every Mountain«, »The Great Divide«, »Whistleblowers«, »Geburt einer Nation«, »Das Spiel ist aus«, »Life is Life«, »Final Countdown«, »Sympathy for the Devil«... Viel gutes und passendes Material, das bei diesem ganz besonderen Anlass leicht hätte aufgeführt werden können.

 

 

Passt die Zeit heute besser zu Laibach?


Zum Glück hatten wir die Zeit immer auf unserer Seite. Und wenn wir sie mal verloren haben und zurückgeblieben sind, hielten wir einfach an und haben darauf gewartet, dass sie uns in der nächsten Runde wieder einfängt.

 

 

Was macht Laibach in zehn Jahren?


Wir können nicht in die Zukunft sehen, deshalb haben wir auch keine Antwort auf Ihre Frage. Aber wir werden höchstwahrscheinlich immer noch Ihre Fragen in Frage stellen.

 

 

Glauben Sie an gute Musik?
Wir glauben an gute Musik. Aber wir vertrauen schlechter Musik
noch mehr.

 


Tonträger: Laibach, »Also sprach
Zarathustra« (Mute / [PIAS] / GoodToGo) erscheint am 14.7.