Bananen bis zehn

Als erste Supermarkt­kette hat

Rewe in Köln die Öffnungszeiten

bis in den späten Abend verlängert.

Lohnt sich das Experiment?

Mit glasigen Augen steht der junge Mann vor dem Bananenstand und gähnt herzhaft. Sein Blick schweift ins Leere, die Arme hat er auf den Einkaufswagen gestützt. Müde? »Ich komm direkt von der Spätschicht«, rechtfer­tigt er sich lachend. Es ist Samstag Abend, 21 Uhr 45. Wir befinden uns im Toom, einem gigantisch großen Supermarkt in den Kalker Kölnarkaden. Toom gehört zur Rewe-Gruppe, die als bislang einzige Supermarktkette in Köln die Öffnungszeiten ihrer Filialen auf 22 Uhr erweitert hat. Seit der Landtag am 16. November 2006 den Ladenschluss in NRW gekippt hat, dürfen Geschäfte an Werktagen rund um die Uhr öffnen. Fraglich ist natürlich, ob Einkaufen zu später Stunde überhaupt ein großes Thema ist.

Die Gunst der späten Stunde

Für den jungen Mann am Bananenstand schon: »Jetzt kann ich morgens länger liegen bleiben und muss nicht vor der Arbeit noch hektisch in den Supermarkt springen, damit der Kühlschrank am Sonntag nicht leer bleibt.« Offensichtlich ist er da nicht der Einzige – der Supermarkt ist ziemlich voll. Während man hier vormittags eher die sprichwörtliche Kalker Hausfrau beim Groß­einkauf antrifft, sind es nun augen­scheinlich die jüngeren Berufstätigen, die die Gunst der späten Stunde nutzen, um schnell noch ihre Wochenend­einkäufe zu erledigen. Erstaunlich viele Einkaufswagen mit Bierkästen, Sektflaschen und Chipstüten werden zudem durch die Gänge geschoben: »Überraschungsparty«, grinst der Typ mit dem Ziegenbärtchen in der Schlange hinter mir. Und die Kassiererin bestätigt nicht ohne Stolz, dass hier samstagabends immer so viel los sei.

Andreas Krämer, Sprecher der Rewe-Group in Köln, nennt Kundenfreundlichkeit als Hauptargument für die Verlängerung der Öffnungszeiten: »Wir sind seit Jahren für eine Liberalisierung der Öffnungszeiten an Werktagen eingetreten. Wir möchten unsere Märkte dann öffnen können, wenn es unsere Kunden von uns wünschen. So können wir den veränderten Arbeits-, Freizeit- und Essrhythmen Rechnung tragen.« Dabei weiß Krämer, dass »verlängerte Öffnungszeiten nicht zwangsläufig mehr Umsatz bedeuten. Uns geht es auch um Profilierung gegenüber dem Kunden.« Aber Kundenorientierung hin oder her – letztlich müssen sich die längeren Öffnungszeiten auch wirtschaftlich rechnen: »Es gibt für die 22-Uhr-Öffnung keine Deadline. Wir überprüfen die Umsatz- und Kundenentwicklung permanent. Sollten sich Standorte herausstellen, an denen der Kunde diesen Service dauerhaft nicht wünscht, so werden wir die Öffnungszeiten wieder zurücknehmen.«

Mitarbeiter unter Schweigegelübde

In den Kölner Innenstadtfilialen gewinnt man zwischen 20 und 22 Uhr einen zwiespältigen Eindruck. Während im Rewe am Ring einige junge Menschen nach Feierabend noch hektisch das Nötigste fürs Abendmahl unter den Arm geklemmt zur Kasse tragen, herrscht in einer anderen innenstadtnahen Filiale gähnende Leere. Obwohl alle Rewe-Mitarbeiter unter strengem Schweigegelübde stehen, um die offizielle Unternehmenskommunikation nicht zu unterwandern, verschafft Udo Arndt (Name von der Redaktion geändert) seinem Unmut freien Lauf: »Es heißt, dass wir uns den Wünschen der Kunden anpassen sollen. Es gibt eine Mindestumsatzmarge zwischen acht und zehn Uhr, ab der sich eine Filiale offiziell lohnt, da liegen wir anscheinend drüber. Tatsächlich verteilt sich die Kundschaft einfach nur über die längere Gesamtöffnungszeit und der Tagesumsatz bleibt gleich. Wir müssen alle länger arbeiten und das, was an zusätzlichem Gehalt netto übrigbleibt, ist kaum der Rede wert.«

Zu nennenswerten Neueinstellungen ist es bei Rewe im Zuge der verlängerten Öffnungszeiten tatsächlich noch nicht gekommen, bestätigt Sprecher Andreas Krämer. Dazu »bedarf es einer verlässlichen ökonomischen Basis, die bislang noch fehlt. Vieles hängt ja auch von externen Faktoren wie dem Wetter ab.«

Gespenstische Leere

Auf der Deutzer Freiheit ist geschäftiges Treiben zu später Stunde selbst an prachtvollen Sommerabenden kaum vorstellbar. Um 21.30 Uhr geht es im örtlichen Rewe, dem einzigen geöffneten Ladenlokal der ganzen Einkaufsstraße, regelrecht gespenstisch zu. Kein einziger Kunde verirrt sich zwischen den Regalen, Wurst- und Käsetheke sind verwaist, die Kasse ist nicht besetzt, die beiden anwesenden Mitarbeiter stehen mit Stift und Zettel vor dem Konfitüre-Sortiment und machen Inventur.

Es ist keine wilde Spekulation, wenn man vermutet, dass die langen Öffnungszeiten hier schon bald wieder zurückgenommen werden. An innerstädtischen, abends belebten Knotenpunkten oder in großen Einkaufszentren scheinen verlängerte Öffnungszeiten Sinn zu ergeben, in der Peripherie wohl kaum.