Foto: Manfred Wegener

»Wir können starke Argumente bringen«

Köln behandelt Schwerstabhängige auch künftig mit Heroin. Fragen zu dem Modell­versuch an Gesundheitsdezernentin Marlis Bredehorst (Bündnis 90/Die Grünen)

StadtRevue: Frau Bredehorst, nach langen Diskussionen wird die Stadt Köln nun weiterhin Heroin an schwerst drogenabhängige Menschen abgeben. Warum?

Marlis Bredehorst: In unserer Drogenpolitik ist das ein Baustein neben vielen anderen, er betrifft nur die Schwerstabhängigen. Wir haben etwa 10.000 Heroinabhängige in Köln, und dieses Modellprojekt hat im Moment 41 Teilnehmer. Selbst wenn wir die Zahl erhöhen könnten, wären es nicht mehr als 100, weil die Teilnahmevoraussetzungen sehr restriktiv sind. Das ist ein Kreis von Personen, für die wir keine andere Hilfe sehen, bei denen zum Beispiel eine Methadon-Therapie nicht weiterhilft, die schon mehrere Therapieversuche hinter sich haben. Hier stehen die Stabilisierung der Lebenslage und des Gesundheitszustandes im Vordergrund, und natürlich die Verhinderung von Beschaffungskriminalität. Das sind die Gründe, warum sich die Stadt Köln sehr einsetzt für dieses Projekt.

Welche Rolle spielt dabei der Ausstieg aus der Sucht?

Natürlich ist das immer unser Ziel. Aber in der Wohnungslosenhilfe verteilen wir im Winter auch Schlafsäcke, obwohl wir Wohnungen anbieten könnten, weil diese nicht von allen angenommen werden. Es gibt eben Hilfebedürftige, die nicht in der Lage sind, andere Hilfen anzunehmen, deshalb brauchen wir ein abgestuftes System.

2002 begann der Versuch in Köln mit fünfzig Personen. Heute sind noch 41 dabei.

Das ist doch eine tolle Quote! Fünf Teilnehmer mussten aus disziplinarischen Gründen ausgeschlossen werden, vier Teilnehmer sind aus Gründen ausgeschieden, die nichts mit dem Projekt zu tun haben. Dass wir noch 41 dabei haben, ist ein Erfolg.

Welche Ergebnisse gibt es bisher?

Wir haben bei praktisch allen Teilnehmern eine Stabilisierung des körperlichen und psychischen Gesundheitszustandes erreicht, es gibt keine neuen infektiösen Krankheiten wie HIV oder Hepatitis, keine Notfallsituationen wie plötzlichen Herzstillstand wegen unreiner Drogen oder Überdosis, die Patienten wurden außerdem für die Behandlung weiterer drogenbedingter Krankheiten zugänglich, und bei fast allen konnte durch eine Senkung der durchschnittlichen Tagesdosis die Motivation zu einem drogenfreien Leben erhöht werden. Außerdem gibt es eine Verbesserung der Wohnsituation: Bei der Behandlungsaufnahme lebten neun Patienten ohne festen Wohnsitz, viele hatten wechselnde Wohnungen, inzwischen haben alle eine stabile soziale Situation. Zwei Personen arbeiten in festen Stellen – das ist zwar nicht sehr viel, aber trotzdem ein Erfolg –, und 21 haben befristete Stellen. Und die Kriminalität der Teilnehmer ist gesunken, immerhin drei Fünftel blieben bisher ohne Delikte.

Auch die CDU im Bundestag will nach einigen Widerständen nun einer Verlängerung des Modellversuchs zustimmen, ist aber gegen eine Ausweitung. Wie geht es weiter?

Das wissen wir auch noch nicht genau. Wir Modellstädte fordern, dass das Betäubungsmittelrecht geändert wird, um eine Behandlung auch außerhalb eines Modellversuchs möglich zu machen. Der zweite Schritt wäre dann die Zulassung von Heroin beziehungsweise Diamorphin als Medikament, damit die Krankenkassen verpflichtet sind, die Kosten zu übernehmen. Es wird geschätzt, dass bundesweit ungefähr 1.700 Personen dafür in Frage kämen, das fällt bei den Kassen kaum ins Gewicht.

Wie sehen Sie die Chancen dafür? CDU-Mitglied Fritz Schramma unterstützt ja das Projekt…

Deshalb ist nochmal Bewegung in die Sache gekommen – einige Modellstädte wie Frankfurt und Köln haben CDU-Oberbürgermeister, die sich klar für diese Projekte ausgesprochen haben, und auch die Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Heinen hat sich dafür eingesetzt. Innerhalb ihrer Fraktion ist das Thema sehr umstritten, die gesundheitspolitische Sprecherin hat sich klar gegen eine Zulassung von Diamorphin als Arznei ausgesprochen, und nun muss eine gesichtswahrende Lösung gefunden werden. Aber die Chancen stehen nicht schlecht – nach den bisherigen Erfahrungen können wir starke Argumente bringen.

Der Modellversuch
Im »Modellprojekt zur heroingestützten Behandlung Opiatabhängiger« werden in sieben deutschen Großstädten etwa 300 Schwerstabhängige mit pharmazeutisch hergestelltem Heroin (Diamorphin) versorgt und psychosozial begleitet. Das Projekt begann 2002; die für die Heroinabgabe notwendige Ausnahmegenehmigung läuft Ende Juni dieses Jahres aus. Nach zunächst heftigem Widerstand hat sich nun auch die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag für die Fortsetzung des Projekts ausgesprochen, eine Ausweitung der Behandlung lehnt sie aber ab. Der Modellversuch ist eine gemeinsame Initiative des Bundesgesundheitsministeriums, der Länder Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und der Städte Hannover, Frankfurt, München, Karlsruhe, Bonn und Köln.