Sollen Kinder mitbestimmen, wo es langgeht? — Der Rat der Stadt will es ausprobieren, Foto: Dörthe Boxberg

Anstrengungsbereit seit 2013

Köln will jetzt kinderfreundliche Kommune werden. Bislang blieb es bei Ankündigungen

Bundespolitiker wollen die Rechte von Kindern im Grundgesetz festschreiben. Der Widerstand jener, die eine zu starke Einmischung des Staates in das Familienleben fürchten, bröckelt. Auch in Köln ist eine Diskussion über Kinderrechte entbrannt. Liegt es am Wahlkampf? 

 

Eine breite Mehrheit im Rat hat Mitte Juli entschieden, dass Köln kinderfreundlicher werden soll und will das in der Hauptsatzung verankern. Bereits Anfang des Jahres setzten Grüne und SPD unabhängig voneinander das Thema Kinderrechte auf ihre jeweilige Agenda. Jetzt wollen CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP gemeinsam Köln zur »Kinderfreundlichen Kommune« machen.  So heißt ein Prüfsiegel, das Unicef und Deutsches Kinderhilfswerk vergeben. Bedingung für die Zertifizierung sind unter anderem, dass Kinderrechte auf allen Verwaltungsebenen mit bedacht, Kinder über ihre Rechte informiert und Beteiligungsformate entwickelt werden.

 

Seit November 2013 gehört Köln zu sechs »Pilotkommunen« — aber vier Jahre lang ist kaum etwas passiert, und wenn, waren es bloß punktuelle Maßnahmen. Im Alltag seien sie kaum spürbar, sagen Mitglieder des Stadtrates. Zwar hat es teils Verbesserungen gegeben, aber die waren meist Selbstverständlichkeiten. Etwa, dass Kinder an der Planung von Spielplätzen beteiligt werden. Aber es gibt auch reine Symbolpolitik, etwa, dass ausgewählte Schulklassen einen Tag das Rathaus besuchen dürfen. 

 

Bislang sind acht Kommunen als »Kinderfreundliche Kommune« ausgezeichnet worden, meist Städte mit weniger als 30.000 Einwohnern, doch auch Regensburg und Wolfsburg tragen das Siegel. Als einzige der »Pilotkommunen«, die vor fünf Jahren den Prozess begannen, ist Köln noch nicht zertifiziert. Man befinde sich »im Prozess zur Entwicklung eines Aktionsplans« heißt es im Antrag der Ratsfraktionen. »Die Umsetzung in einer Millionenstadt ist allerdings auch aufwändiger als in kleineren Kommunen. Aber Köln ist anstrengungsbereit«, betont Heide-Rose Brückner von »Kinderfreundliche Kommunen e.V.«  mit Sitz in Köln. Es habe schon gute Vorarbeiten gegeben. Brückner rechnet mit dem nötigen »Aktionsplan« noch diesen Herbst. Doch der jetzige Beschluss sieht nur vor, auf struktureller Ebene Vorarbeit zu leisten. So soll ein »kooperatives Jugendbüro« zwischen Stadtverwaltung und dem Kölner Jugendring vermitteln, in dem Jugendorganisa-tionen karitativer und politischer V-erbänden, von Kirchen und Gewerkschaften zusammengeschlossen sind. 

 

 

Außerdem soll jeder der neun Kölner Stadtbezirke Geld zugeteilt bekommen, damit Jugendliche unbürokratisch Kleinprojekte beantragen können. Leitlinien dafür müssen noch erarbeitet werden. Es geht pro Bezirk um jährlich 5000 Euro, Anfang des Jahres war noch von 10.000 Euro die Rede. 

 

Ein Konzept, wie sich Kinder und Jugendliche besser politisch beteiligen können, steht auch noch nicht. Stattdessen sollen die Kölner Stadtbezirke jeweils »Verfahren zur örtlichen Partizipation aller Kinder und Jugendlichen« entwickeln. Helfen sollen dabei etwa Bezirksjugendpfleger, die Träger der Jugendhilfen, Streetworker oder Schülervertreter. So ist im Grunde der Beschluss, der mit der Wucht einer breiten Ratsmehrheit Aufbruch signalisiert,  zunächst ein Arbeitsauftrag an die Bezirke. Warum aber sollen die nun unabhängig voneinander ein Konzept erarbeiten, anstatt dass die bisherigen Erkenntnisse und erfolgreichen Projekte zur Grundlage für ein gesamtstädtisches Konzept genommen werden? Sicher auch, um Zeit zu gewinnen. SPD und Grüne hatten sich die Kinderrechte für dieses Jahr vorgenommen. Nach der Sommerpause beginnt bereits das letzte Quartal. 

 

Zudem birgt es Risiken, dass man nun mit der Partizipation beginnt. Denn gerade wird ein »Leitlinienprozess« für künftige Bürgerbeteiligung mit Politik, Verwaltung und ausgewählten Bürgern durchgeführt, die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist auch dort ein Thema. Doch es herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, wie man das anstellen kann. OB Henriette Reker preschte Mitte Juni mit ihrer Kampagne »Sag’s Henriette« vor. Sie diskutierte samstagnachmittags am Aachener Weiher mit Jugendlichen und ließ sich über Jugendprojekte informieren. Das wirkt alles etwas hastig und unkoordiniert. Außerdem läuft ja die große Verwaltungsreform, bei der ebenfalls Anliegen von Kindern und Jugendlichen stärker berücksichtigt werden sollen. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich hier parallele Strukturen herausbilden? Also das, was man tunlichst vermeiden muss, wenn man zu guten Ergebnissen kommen will?

 

Eine Herausforderung besteht grundsätzlich darin, Kinder und Jugendliche überhaupt dazu zu ermuntern, ihre Rechte wahrzunehmen. Als Vorbild dient Nürnberg. In der Großstadt mit 510.000 Einwohnern wurde schon 2012 ein Partizipationsmodell für 14- bis 21-Jährige zum festen Bestandteil der Kommunalpolitik gemacht; die Beteiligung von Unter-14-Jährigen galt dort zu dem Zeitpunkt bereits als geglückt. Das zeigt, dass es auch in einer Großstadt möglich ist, Kinder- und Jugendliche einzubinden. Nürnberg hat übrigens nie das Siegel »Kinderfreundliche Kommune « beantragt .