Foto: Dörthe Boxberg

Rasern fehlt das Bewusstsein für Gefahr

Im April 2015 wurde eine 19 Jahre alte Radfahrerin durch ein illegales Autorennen auf dem Auenweg in Deutz getötet. Die Stadt ließ daraufhin diese Bodenschwellen errichten. Noch immer liefern sich Raser auf Kölns Straßen Rennen, mehrfach endeten sie bereits tödlich. Rainer Fuchs von der Kölner Polizei spricht über das Täterprofil von Rasern, die Wirkung von Strafen und warum viele Straßen anders gebaut werden sollten

Herr Fuchs, Bundesjustizminister Heiko Maas hat jüngst die Strafen für die Teilnahme an illegalen Autorennen verschärft — von einer Ordnungswidrigkeit zu einer Straftat. Eine gute Idee?

 

Ich kann nur wiederholen, was ich als Sachverständiger im Rechtsausschuss des Bundestages gesagt habe: Aus polizeipraktischer Sicht ist das ein notwendiger Schritt. Es hatte sich eine Schutzlücke aufgetan. Bei einem Straßenrennen ist mit den schlimmsten Folgen zu rechnen, vergleichbar damit, wenn jemand unter Alkoholeinfluss fährt. Wenn man das als Ordnungswidrigkeit auslegt, steht das in einem Missverhältnis zur Gefahr.

 

 

Höhere Strafen mögen in der öffentlichen Debatte gut ankommen. Aber helfen sie auch dabei, Straßenrennen zu verhindern?

 

Bisher waren für Täter die Folgen ihres Handelns kaum zu spüren, erst recht nicht unmittelbar. Viele haben bei einem Bußgeld von 400 Euro oder einem drohenden Fahrverbot, wenn man irgendwann mal acht Punkte gesammelt hat, gedacht: Mir passiert sowieso nichts. Vielen Tätern fehlt das Bewusstsein dafür, dass sie mit ihrem Verhalten eine extrem große Gefahr für Unbeteiligte verursachen.

 

 

Handelt es sich nicht nur um Einzelfälle?

 

Nein, es ist ein Problem in etlichen Großstädten. Es gibt bundesweit vermehrt Unfälle im Zusammenhang mit Straßenrennen, und da reden wir nicht nur von denen mit Todesfolge, die in eine breite Öffentlichkeit gelangen. Auch in den letzten Wochen gab es in Köln wieder Unfälle bei Straßenrennen, die sind eben nur glimpflich ausgegangen.

 

 

Den Nachweis für ein illegales Rennen zu erbringen, ist aber doch ziemlich schwierig.

 

Das ist kein Problem. Das OLG Hamm hat dazu ein richtungsweisendes Urteil gefällt. Da heißt es ganz klar: Wenn zwei Fahrzeuge in renntypischem Verhalten versuchen, Höchstgeschwindigkeit zu erreichen, dann ist das ein illegales Kraftfahrzeugrennen.

 

 

Das schon. Aber wie weisen Sie das nach?

 

Details möchte ich nicht nennen. Wir haben festgestellt, dass wir das Problem über Geschwindigkeitsüberwachung mit stationären Anlagen nicht lösen. Wir sind in Zivilfahrzeugen unterwegs, setzen auch neue Dokumentationstechniken ein.

 

 

Gibt es organisierte Strukturen?

 

Oder finden die Rennen spontan statt? Sowohl als auch. In Köln haben wir aber bisher keine organisierten Formen erkannt. Wir beobachten vielmehr spontane Anbahnungen von Rennen, etwa an der Ampel. Wir nennen das Antesten. Man schaut: Zieht der neben mir an, zieht der mit, bringt der sich in eine Startposition? Das ist eine Art Absprache. Dann folgt der sogenannte Kavalierstart mit extremer Beschleunigung. 

 

 

Welche Klientel beteiligt sich an Straßenrennen?

 

Es sind ausnahmslos Männer, auffällig oft Fahranfänger. Und die sind mit entsprechenden Fahrzeugen unterwegs. Die wurden in vielen Fällen zusätzlich illegal getunt. Kombiniert man das alles, sind Unfälle eine logische Konsequenz.

 

 

Das klingt, als erkenne man Raser an ihren Autos.

 

Raser erkennt man zunächst daran, dass sie zu schnell unterwegs sind. Auch mit einem Polo können Sie viel zu schnell durch eine Tempo-30-Zone rasen und sich ein Rennen liefern. Aber wir erleben, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Tuning-Szene und Straßenrennen.

 

 

Gehen Sie auch gegen die Fahrzeuge vor?

 

Das geht nur, wenn sie technisch nicht in Ordnung sind. Es gibt ja auch legales Tuning. Aber wir versuchen, verkehrsunsichere Fahrzeuge sicherzustellen. Allein an den Wochenenden haben wir in zwei Jahren über 650 Fahrzeuge beschlagnahmt und zum Gutachter gegeben, teilweise waren sie in desolatem Zustand. Wenn man jemandem das potenzielle Tatwerkzeug entzieht, hat das eine Wirkung.

 

 

Warum liefern sich Menschen Autorennen?

 

Das ist schwer zu sagen. Sicherlich spielt Spaß dabei eine Rolle. Wir stoßen auch oft auf Menschen, für die das Auto ein Statussymbol darstellt, mit dem sie sich profilieren. Es geht um Anerkennung im sozialen Gefüge. Dabei scheint es auch opportun zu sein, das Gesetz zu brechen.

 

 

Sie treffen Raser oft erst an, wenn sie bereits auffällig geworden sind. Gibt es auch vorbeugende Maßnahmen?

 

Wir verfolgen mit der Stadt Köln eine Kampagne gegen Raser und bemühen uns um die Ansprache einer jungen Zielgruppe. Wir haben etwa zum letzten Kinostart des Films The Fast and The Furiuos, der schnelles Autofahren glorifiziert, vor den Kinos mit Unfallwagen auf die Gefahren aufmerksam gemacht. Wir haben Gefährderbriefe verschickt an 160 Menschen, die bereits bei Straßenrennen aufgefallen sind. Uns ist bewusst, dass viele davon ungelesen im Müll landen, aber wenn wir nur einen oder zwei erreichen, haben wir uns in die richtige Richtung bewegt. Die Maßnahmen der Polizei zur Gefahrenverhinderung haben aber auch ihre Grenzen. 

 

 

Wer müsste Ihnen zur Seite stehen?

 

Man kann beim Gesetzgeber ansetzen. Für Motorradfahrer unter 25 Jahren gibt eine PS-Beschränkung. Ein Autofahrer aber darf sich, wenn er seine Fahrerlaubnis bekommen hat, direkt in einen 500-PS-Ferrari setzen. Ein anderer Ansatzpunkt sind die Versicherungen: Warum belohnt man nicht junge Menschen, die ein Fahrsicherheitstraining absolvieren? Auch bei Fahrschulen, in denen man die ganz jungen Fahrer vor Ort hat, könnte man noch mal hinschauen. Und es gibt einen anderen Aspekt: Schauen Sie in die Werbung …

 

 

Da geht es um Tempo, nicht um Rücksichtnahme.

 

Genau. Bei Autos steht die Geschwindigkeit im Vordergrund, das Gefühl, der Spaß am Fahren. Nur selten die Sicherheit.

 

 

Es gibt auch viele Straßen, die zum Rasen oder zu Rennen einladen.

 

Die Erkenntnisse aus der täglichen Arbeit der Polizei sind sicherlich auch hinsichtlich der Gestaltung des Verkehrsraums wichtig. Man kann eine Straße etwa optisch so gestalten, dass man zum langsamen Fahren gezwungen wird. Ein Austausch mit der Stadt Köln und Leverkusen findet da natürlich auch statt.

 

 

Schwere Unfälle passieren nicht nur in Folge von Rennen. Auch sonst wird oft zu schnell gefahren.

 

Wir beobachten in Köln grundsätzlich ein sehr hohes Geschwindigkeitsniveau. Das ist problematisch. Wenn jemand mit 200 km/h auf einem Highway unterwegs ist, auf den höchstens eine Wüstenmaus springt, ist das was anderes, als wenn jemand dieses Tempo auf einer Zufahrtsstraße in der Großstadt wählt. Die Stadt bietet keinen Raum für hohe Geschwindigkeit. Es kommt zu Konflikten — und Konflikte im Verkehr heißen Unfälle. Wir möchten langfristig auf die Verkehrsmoral der Menschen einwirken und verdeutlichen, dass von Geschwindigkeit im Verkehr eine große Gefahr ausgeht. Früher konnte sich niemand vorstellen, einen Sicherheitsgurt zu tragen. Heute ist das selbstverständlich. Das würde ich mir auch für langsameres Fahren wünschen.