Die 100 Tage von Münster

Im alljährlichen Wettrennen von Biennalen, Triennalen, Messen und anderen Großereignissen erscheint eine Ausstellung, die nur alle zehn Jahre stattfindet, anachronistisch. Die Erwartungen an die Skulptur Projekte 2017, die im Juni zum fünften Mal in Münster eröffnet haben, sind deshalb groß. Ein weltweit einmaliges Format, das Kasper König, lange bevor er ans Museum Ludwig kam, ins Leben rief und das auch in diesem Jahr das beschauliche Münster für 100 Tage auf die Weltkarte der Kunst katapultiert. Und längst lieben die Münsteraner, was sie einst zur Weißglut reizte.

 

Das Konzept ist seit 1977 unverändert: internationale Künstlerinnen und Künstler werden eingeladen, Projektvorschläge für den öffentlichen Raum zu entwickeln, die teils nach Ende der Ausstellung wieder verschwinden, teils aber auch in der Stadt verbleiben wie die inzwischen ikonischen Betonkugeln von Claes Oldenburg am Aasee. Der Begriff Skulptur wird von König und seinen diesmaligen Co-Kuratorinnen Marianne Wagner und Britta Peters dezidiert nicht eng gefasst: Längst zählen Videoarbeiten, Soundinstallationen und vor allem Performances zu den ausgestellten Werken. Und weil Münster bekanntlich eine besonders fahrradfreundliche Stadt ist, lassen sich die rund vierzig Projekte am besten vom Rad aus erkunden. Dabei macht das Entdecken von Orten genauso viel Spaß wie das Betrachten der Kunstwerke selbst.

 

Mika Rottenberg zeigt eine Filminstallation in einem leeren Asia-Markt, der gleichzeitig das Szenenbild sein könnte. Michael E. Smith bezieht ein Tattoo-Studio, in dem es Senioren-Rabatt auf von Künstlern entworfene Tätowierungen gibt, und Gerard Byrne installiert einen grandiosen Sound-Video-Loop im Klaviersaal der Stadtbibliothek.

 

Der größte Effekt gelingt erneut Pierre Huyghe, der schon das Museum Ludwig in einen Mikrokosmos aus Natur und Kunst verwandelte. Ihm hat man das verfallende Eisstadion überlassen, in dem er eine Mondlandschaft aus Erdkratern mit Pfauen und anderen Lebewesen in der modernistischen Architekturhülle geschaffen hat. 

 

Nach der Grand Tour durch Athen, Venedig und Kassel hat der Kunst-Trip nach Münster fast schon etwas Erholsames. Entschleunigung statt Überforderung.

 

Skulptur Projekte Münster 2017, rund vierzig Stationen, verschiedene Orte in Münster, Eintritt frei, Mo–So 10–20, Fr 10–22 Uhr, bis 1.10.

Fahrräder können vor Ort ausgeliehen werden, wegen der zahlreichen Stationen empfiehlt sich eine gute Vorbereitung des Besuchs, Info: skulptur-projekte.de