Überwacht von einem großen Vogel

Die Kalifornierin Sam Anderson schickt die Besucher in ein privates Zwergenreich

Die aktuelle Ausstellung »Big Bird« im Kunstverein stellt eine Zumutung für die Besucher dar — erst recht, wenn es sich dabei um halbwegs erwachsene Menschen handeln sollte. Denn ihr Los besteht darin, sich bückend oder kniend den Arbeiten von Sam Anderson zu nähern. Die Arrangements der 1982 in L.A. geborenen Bildhauerin sind im ganzen Gebäude verteilt und erheben sich nur ganz dezent vom Niveau des Bodens. Als Unterlage dienen lediglich zahlreiche Lederstücke oder verschlissene Tierfelle. Ein Sockel kommt hingegen nur selten zum Einsatz. 

 

Die Form der Präsentation ist augenscheinlich Programm: Um diese kleinteiligen Artefakte in Augenschein nehmen zu können, müssen wir unsere Haltung, vielleicht auch unsere Einstellung zu den Dingen verändern. Was aber können wir erkennen, wenn wir uns herabbeugen? Gesammeltes, Gefundenes, miteinander Verklebtes. Metallspäne, Holzstückchen oder Papierfetzen finden sich darunter, arrangierte kleine Tierskelette von Fröschen oder Vögel, -teilweise mit Salz oder Pfeffer bestreute Pfade. Dies alles ist zu Miniaturlandschaften drapiert und erinnert an Kinderphantasien, die sich mit Materialien aus der Küche, dem Garten oder aus diversen Schubladen eine eigene Welt erschaffen, die mit märchenhaften, skurrilen Geschichten angereichert wird. Vielleicht könnte die Anordnung der Dinge aus Fragmenten, Abfällen oder Resten eine imaginierte kosmologische Ordnung widerspiegeln, überwacht von einem großen Vogel.

 

Dazwischen ragen aus Gips modellierte, trotzig wirkende fragile Mädchenfiguren hervor. Sie hocken jeweils auf einem eigenen Sockel und lassen Angelschnüre in ein mit Sand gefülltes Gefiert baumeln. Sind es vier Freundinnen oder nur eine, die in verschiedenen Befindlichkeiten abgebildet ist? Auch hier kommt einem die Assoziation an einen animierten Film, dessen Protagonistin für jede Einstellung umgeformt wird. Im Kinosaal läuft denn auch eine 15-minütige Filmcollage. Eigene und gefundene Aufnahmen wechseln mit solchen aus älteren Hollywoodfilmen ab, in denen die Mutter der Künstlerin eine tragende Rolle spielt. 

 

Wie die Kinoleinwand entführen uns auch Sam Andersons bodennah ausgebreitete Kompositionen in narrative Gegenwelten. In der Gesamtschau entsteht der Eindruck einer Steigerung des Privaten hin zum Unverständlichen. Ein wenig selbstbezogen scheint die Künstlerin in Kauf zu nehmen, dass die kommunikative Beziehung zwischen Künstlerin und Betrachtern abreißt.