Der kreative Sammler

Die Sammlung Wolfgang Hahn ist zurück in Köln — leider bloß vorübergehend

 

Eine untergehende Sonne aus einer Salamischeibe, ein primitives Gewehr aus Draht und Zeitungspapier, ein Tafelbild aus zerfetzten Plakatabrissen, auf dem noch die Wörter »Ainsi bafouée« (»so misshandelt«) zu lesen sind: Wenn es in Wolfgang Hahns Sammlung von Kunst der 60er Jahre Leitmotive gibt, dann sind es vor allem Zerstörung und Vergänglichkeit. Hahn war seit den 50er Jahren Restaurator am Wallraf-Richartz-Museum und daher professionell mit Vergänglichkeit befasst — also Verfall aufzuhalten und Zerstörtes möglichst wiederherzustellen. Das war in der deutschen Nachkriegsgesellschaft durchaus eine öffentliche Aufgabe, der sich Hahn auf außergewöhnliche Weise stellte.

 

Aus der zeitgenössischen Kunst wählte Hahn bevorzugt das, was sich am radikalsten der Zivilisationskritik und der »Aufarbeitung der Vergangenheit« widmete — neoavantgardistische Strömungen wie Happening, Fluxus und verschiedene Formen von »neuem Realismus«. Am konkretesten zeigt sich das vielleicht im »Selbstportrait N. II« (1968) von Lil Picard: ein gespenstischer Körper aus Stofffetzen, liegend aufgebahrt; dazu eine Tonbandaufnahme der Künstlerin, die von ihren Kindheitserinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg spricht. 

 

Hahn war nicht nur radikal in dem, was er als Kunst schätzte. Ganz selbstverständlich sammelte er überdurchschnittlich viele Künstlerinnen, die oft erst später zu Kultfiguren wurden, wie Yayoi Kusama und Niki de Saint Phalle. Dass er mit dem Einkommen eines städtischen Angestellten eine international bedeutende Sammlung aufbauen konnte, sagt viel über das Funktionieren der damaligen Kunstwelt. Umgekehrt wurde Hahns Sammlung zum Humus für die Kunststadt Köln. 1968 wurde sie erstmals im Wallraf-Richartz-Museum ausgestellt. Hahns erfolgreiche Aktivitäten regten den Industriellen Peter Ludwig zum Sammeln an. Ohne sein Vorbild gäbe es kein Museum Ludwig. 

 

Nur eines ist zu beklagen bei dem gut strukturierten Rundgang durch Hahns Sammlung, die zugleich ein lebendiges Porträt der damaligen Kunstmetropole Köln ist: dass sie die Stadt bald wieder verlassen wird. Die Kollektion wurde 1978, einige Jahre vor Wolfgang Hahns Tod 1987, von der Republik Österreich angekauft. Sie befindet sich heute im Museum moderner Kunst in Wien. Dass sie hier einen Phantomschmerz auslöst, ist wohl angemessen.

 

»Kunst ins Leben! Der Sammler Wolfgang Hahn und die 60er Jahre«, Museum Ludwig, Di–So 10–18 Uhr, jeden ersten Do im Monat 10–22 Uhr, bis 24.9.