Das Underground weicht der inklusiven Universitätsschule, Foto: Manfred Wegener

Nachruf auf ein Naturereignis

Lange angekündigt, bald Realität: Am 15.9. schließt voraussichtlich das Underground in Ehrenfeld

Köln, August 1993, Popkomm. Das Titelblatt der Spex zierte ein provokativ misslungenes Bild der Berliner Band Mutter, die damals durch ihre heftigste Doom-Sludge-Industrial-Phase wateten. Diese verheißungsvoll extremistische Band sollte nach Köln kommen, in einen dem Schüler aus dem Niederbergischen absolut unbekannten Ort namens Underground. Mutter spielten während der Popkomm auf einem Abend des »What’s so funny about«-Labels (kennt keiner mehr, seinerzeit so bedeutend wie heutzutage Staatsakt), standesgemäß tief in der Nacht, der letzte Zug zurück in die Provinz war da schon abgefahren. Eine Offenbarung! Die Apokalypse formierte sich als Zeitlupenkrach und die Performance von Sänger Max Müller erbrach sich in einem einzigen Schrei, die Luft war so feedbackgesättigt, dass der Gitarrist auf dem Korpus seines Instrumentes mit seinen Fingern nur sanft zu trommeln brauchte, um das Inferno noch zu steigern. 

 

Nach zwanzig Minuten war Schluss. Angeblich ein Polizeieinsatz vor der Tür. Oder die Sperrstunde, die damals noch galt, war angebrochen. Oder ein Kurzschluss. Wahrscheinlich ein Kurzschluss. Die Nacht schlug ich mir um die Ohren, indem ich mich durch das mir fremde Köln zu Fuß zum Hauptbahnhof durchschlug.

 

In der ersten Hälfte der 90er war das Underground der wichtigste Rock- und Indie-Konzertort Kölns, Punkt. Es gab keinen Ehrenfeld-Hype und keinen Run auf kulturell zu nutzende Industriebrachen. Wie ein Naturereignis war das Underground einfach da. 1994 stellten die Goldenen Zitronen hier ihr Epochen-Werk »Das bisschen Totschlag« vor, 1995 feierte US-Hardcore-Ikone Greg Ginn sein Comeback, spielten Tortoise und The Sea And Cake ihr Köln-Debüt, schaute die Ultra-Slo-Mo-Country-Band Souled American vorbei. Die Liste ließe sich fortsetzen, verräterisch an ihr sind die Jahreszahlen: Das ist ja alles zwanzig Jahre her! Sonst nix passiert?

 

Doch eine Menge. Punk, Hardcore und Metal, zwischendurch ein bisschen HipHop. Gegenüber dem Sonic Ballroom und der benachbarten Live Music Hall, seit 2004 so etwas wie die Adoptivmutter des Underground, fiel es schwer, sich mit dieser Musikauswahl zu profilieren. Der Laden geriet aus dem Fokus der Stadtrevue, was natürlich nicht heißt, dass für viele Leute diese verwilderte ehemalige Autowerkstatt mit dem schönen Biergarten nicht weiterhin eine Adresse erster Wahl blieb.

 

Ab dem 1. Januar wird auf dem Heliosgelände, auf dem u.a. das Underground liegt, die inklusive Universitätsschule gebaut, bis dahin muss das Gebäude geschliffen sein. Der Laden ist — trotz überaus erfolgreicher Unterschriftenaktion gegen den Abriss — vermutlich bald weg, aber das Konzept hat noch Zukunft: Bis zum Januar 2019 könnte das Team zumindest die benachbarte DQE-Halle bespielen.