Hoffentlich bald wieder hier: Dogan Akhanli in Köln, Foto: Manfred Wegener

Weckruf mit Maschinenpistole

Die Türkei hat den Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı in Spanien festgesetzt. In Köln wächst die Unterstützung

Der lange Arm von Erdogan trägt eine Maschinenpistole. Am Morgen des 19. August klopft es an der Hoteltür des Schriftstellers Doğan Akhanlı im spanischen Granada. Davor stehen zwei schwer bewaffnete Polizisten. Sie setzten eine »Red Notice« von Interpol um: Akhanlıs Aufenthaltsort soll an die Türkei übermittelt werden, er selbst vorübergehend festgenommen werden. Laut der Türkei soll Akhanlı 1989 als Mitglied einer terroristischen Vereinigung an einem Banküberfall teilgenommen haben. 2010 stand er deshalb dort vor Gericht und wurde freigesprochen. 2013 wurde das Verfahren wieder aufgerollt. Beobachter gehen davon aus, dass der Vorgang politisch motiviert ist. Akhanlı hat über den türkischen Genozid an den Armeniern geschrieben und ist in linken Gruppen aktiv.

 

Einen Tag musste Akhanlı im August in Haft verbringen, dann wurde er vorerst freigelassen. Innerhalb von 40 Tagen muss nun die Türkei erklären, warum Akhanlı, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ausgeliefert werden soll. »Erfahrungsgemäß nutzen die türkischen Behörden diese Frist aus«, sagt Ilias Uyar, der Anwalt von Akhanlı. Der Schriftsteller darf bis dahin Spanien nicht verlassen, er musste sämtliche Auftritte absagen. Wenn alles gut geht, steht er Ende September wieder auf der Bühne des Schauspiels, um im Theaterstück »Istanbul« seine Lebensgeschichte zu erzählen.

 

Bis dahin benötigt er Unterstützung. In Köln fordern Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einem offenen Brief an die spanische Regierung, »dass sie das türkische Auslieferungsbegehren mit einem klaren Nein beantwortet.« Freunde Akhanlıs sammeln derweil Spenden für seinen Aufenthalt. »Das soll aber nicht die Bundesregierung sowie ihre Institutionen vor Ort aus ihrer Verantwortung entlassen, sämtliche Kosten des erzwungenen Aufenthalts zu übernehmen«, erklärt Birgit Morgenrath von Recherche International.

 

Die Bundespolitik hat den Fall Akhanlı für sich entdeckt. Als der Schriftsteller 2010 in der Türkei in Haft saß, setzte sich eine kleine Gruppe von Unterstützern rund um den Journalisten Albrecht Kieser und Günter Wallraff für ihn ein. Außerhalb Kölns stieß der Fall kaum auf Interesse. Jetzt meldete sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) persönlich bei Akhanlı, Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte das Vorgehen der Behörden und Bundeskanzlerin Merkel warf der Türkei auf RTL einen Missbrauch von Interpol vor.

 

Für Ilias Uyar ist das nicht genug. Er erwartet, dass die deutsche Regierung nun den Druck auf die Türkei erhöht, damit die dort inhaftierten deutschen Staatsbürger — der Amnesty-Mitarbeiter Peter Steudtner sowie die Journalisten Meşale Tolu und Deniz Yücel — wieder auf freien Fuß gelangen. »Es ist klar, dass in der Türkei keine rechtsstaatlichen Verhältnisse herrschen.« Schon die Umstände der Verhaftung werfen Fragen auf: Akhanlı wurde nicht bei der Einreise verhaftet, sondern im Hotel. Das legt den Verdacht nahe, dass er vom türkischen Geheimdienst observiert wurde.

 

Vielleicht ist die Verhaftung von Doğan Akhanlı aber auch das Aufbäumen einer Diktatur, die immer weiter isoliert ist. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Erdoğan-Regierung ihre Willkürherrschaft langfristig und unbegrenzt durchhalten kann«, schrieb Akhanlı letzten Sommer nach dem Militärputsch in der Türkei in der Stadtrevue. »Historisch betrachtet, sind fast alle Despoten gescheitert — und Erdoğan wird keine Ausnahme sein.«

 

 


Spendenkonto: Recherche International e.V., Sparkasse KölnBonn, IBAN: DE07 3705 0198 0023 8120 43, SWIFT-BIC.: COLSDE33, Stichwort: Solidarität mit Doğan Akhanlı und anderen politisch Verfolgten in der Türkei