Gefilterter Genuss

Statussymbole befinden sich stets im Wandel. Dieser Tage eignet sich im urbanen Leben Ernährung vortrefflich, um seine soziale Stellung auszudrücken. Wer gut isst, ist wer. Doch hat Essen im Vergleich zu Auto oder Handtasche einen entscheidenden Nachteil: Mit einer Açaí-Bowl oder einem Coq au vin lässt sich bedeutend schlechter hausieren gehen. Essen ist vergänglich — und was man isst, sieht eigentlich auch nur die Tischgemeinschaft, die man um sich versammelt. Wer auf große Anerkennung aus ist, für den ist das eine ziemlich kümmerliche Reichweite.

 

Um die zu erhöhen, wurden Soziale Medien erfunden. Das jedenfalls könnte man meinen, wenn man sich durch die Facebook-Tochter Instagram klickt: Dort finden sich 130 Millionen Bilder zum Hashtag »Foodporn«, auch »Instafood« (90 Mio.) und »Foodie« (65 Mio.) haben nicht enden wollende Trefferlisten. Dieser digitale Hype hat Folgen. Nicht nur die Brigitte (»Food-Fotografie für Instagram: So gelingt das Bild!«), sondern auch die New York Times (»11 Ways to Take a Better Food Photo on Instagram«) geben praktische Handreichungen zum Thema. Handykameras sind ausgestatten mit speziellen Aufnahmemodi für Essensfotos, die mit noch spezielleren Apps ideal nachbereitet werden. Pics or It Didn’t Happen — zeig’ mir ein Foto oder es ist nicht passiert! Essen muss nicht schmecken, es muss aber auf einem Bild gefälligst so aussehen. Dafür wird bei Tisch fleißig arrangiert und der Gegenüber wenn nötig aus dem Bildausschnitt geschoben.

 

Nun reagiert die gastronomische Industrie: In London hat das erste »Instagram-Restaurant« eröffnet. Dort wird zu den Speisen und Getränken auch ein Foto-Set mit Dreifuß-Stativ, Kamera, Ladegerät und LED-Kameralicht gereicht. Warum denn nicht gleich so? Wird einem das technische Werkzeug direkt mit serviert, ist das authentisch und unverhohlen. Der Gast möchte ein vorzeigbares Foto — soll er haben! Viele Gastronomen sind ja ebenso an einem hochwertigen Bild im Netz interessiert wie der Kunde — zu Vermarktungszwecken.

 

Der vortrefflichste Moment beim Essen ist der, in dem der angerichtete Teller vor einem steht. Dann sind schon rein evolutionär Ungeduld und auch Vorfreude auf die Nahrung am größten. Wer sich diesen Moment nicht nehmen lassen möchte, lässt die Kamera auch künftig in der Tasche. Er muss nur zusehen, dass er seinen sozialen Status anderweitig aufwertet. Essen bietet sich dafür ohnehin nur bedingt an.