Foto: Dörthe Boxberg

Seid versteuert, ihr Millionen!

 

Michael Horbach ist zuerst als Kunstmäzen bekannt. Aber der Millionär aus der Südstadt hat ein Geheimnis: Er setzt sich dafür ein, dass die Reichen mehr Steuern zahlen

»Morgen Du!«, sagt Michael Horbach und lacht. »Die Lotto-Werbung. Das ist der geilste und zugleich dümmste Spruch überhaupt. Morgen Du! Nee, is klar.« Michael Horbach könnte an solche Sprüche glauben. Er sitzt mit weißem Hemd, modischer Brille und Jeans in einer umgebauten Fabrik in der Kölner Südstadt, wo er mit seiner iranischen Frau lebt. Im Lotto musste er dafür nicht gewinnen, aber seine Lebensgeschichte ist fast ebenso unwahrscheinlich. Horbach ist der Sohn eines Pflasterers und einer Hausfrau aus Würselen bei Aachen. Heute kann er mit starkem Aachener Akzent behaupten: »Ein paar Millionen habe ich noch, das reicht zum guten Leben.« Dann sagt er: »Die unteren 50 Prozent der Deutschen besitzen nicht mal ein Prozent des Vermögens. Wenn das so weiter geht, gefährden wir den sozialen Frieden.«

 

Seine Millionen hat Horbach mit Finanzdienstleistungen für Akademiker verdient. 1983, im Alter von 33 Jahren, hat er eine Firma in Köln gegründet, nachdem seine damalige Freundin ihn nach ihrem Uni-Abschluss um finanziellen Rat gefragt hatte. Studiert hat Horbach Volkswirtschaftslehre, unter anderem beim Links-Keynesianer Karl-Georg Zinn in Aachen. »Mit Professor Zinn habe ich heute noch Kontakt«, erzählt er. »Er war toll, wie er Zusammenhänge darstellen konnte. Der Mensch lebt ja nicht nur von der Wirtschaft, sondern ist ein Gemeinwesen.« Horbachs Firma wächst schnell, 1998 wird sie in ein Aktienunternehmen mit Mitarbeiterbeteiligung umgewandelt. »Das ist halt so im Kapitalismus. Wenn Sie da in irgendetwas gut sind, werden sie damit reich.«

 

Michael Horbach ist ein untypischer Millionär.  Im Jahr 2000, zu seinem 50. Geburtstag, hat er sein Unternehmen, den Finanzdienstleister Horbach AG, verkauft. »Das war immer mein Plan«, erzählt er. »Das Ökonomische hat mich eigentlich nie interessiert.« 30 Prozent seiner Aktien gab er seinen Mitarbeitern, eine Million DM spendete er an Karlheinz Böhms »Menschen für Menschen«, mit einer weiteren Million gründete er die Michael-Horbach-Stiftung. Die vergibt Stipendien an Künstler aus dem Ausland und betreibt eine Galerie mit Schwerpunkt sozialkritischer Fotografie, in der die Künstler 100 Prozent der Verkaufs-erlöse erhalten. »Ich habe immer gedacht, dass Kunst ein Bereich ist, der neben dem Kapitalismus steht«, sagt Horbach. »Heute weiß ich, dass es genau umgekehrt ist. Nur geschätzte 0,01 Prozent aller Künstler können von der Kunst leben.« Schnell ist Horbach bei Paragraf 13 des Erbschaftssteuergesetzes. Nach dem kann 60 Prozent der Erbschaftssteuer sparen, wer Kunst für zehn Jahre einem Museum zur Forschung oder für Ausstellungen zur Verfügung stellt — ein ideales Steuersparmodell. »Wer macht solche Gesetze? Der Hartz-IV-Empfänger? Wohl kaum.«

 

Horbach hat den »Appell für eine Vermögensabgabe« unterzeichnet, der von einer Gruppe »Vermögender« initiiert wurde. Über zwei Jahre sollen alle, die mehr als 500.000 Euro besitzen, jährlich fünf Prozent davon abgeben. Ab dem dritten Jahr soll eine Vermögenssteuer von einem Prozent erhoben werden. Die Unterzeichner wollen Steueroasen schließen und plädieren dafür, die Mehreinnahmen in Bildung, das Gesundheitswesen und höhere Sozialleistungen zu investieren. »Wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinanderdriftet, dann sitzen wir Reichen bald im goldenen Käfig«, beschreibt Michael Horbach seine Motivation, den Appell zu unterzeichnen. Er will auch in Zukunft noch auf seinem Rad durch die Kölner Südstadt fahren können, ohne Angst vor einem Überfall haben zu müssen. 

 

Als linker Student hat Horbach Marx gelesen, heute spricht er von Empathie, Altruismus und dem Glück durch Teilen: »Ich verstehe nicht, warum die wirklich Reichen nicht kapieren, dass man mit zusätzlichen materiellen Dingen vielleicht für drei Sekunden glücklich sein kann und sie danach nur noch eine Belastung darstellen.«

 

Immer wieder kommt er deshalb auf Kuba zu sprechen: »Auf meinen Kuba-Fotos lachen die Leute immer.« Einmal habe ihn ein Bekannter gefragt, ob die Bilder gestellt seien. »Der war richtig verstört, weil er meinte, das könne nicht sein, weil die Menschen auf Kuba doch so arm sind.« Siebenmal hat Horbach die Karibikinsel besucht, er liebt sie. Aber sie ist für ihn auch ein Beispiel für die Doppelmoral des Westens. Vor ein paar Jahren wollte er eine kubanische Künstlerin nach Deutschland einladen. Die Behörden auf Kuba hatten ihr schnell ein Visum ausgestellt, nur die deutsche Botschaft zierte sich. »Ich habe schließlich zu der normalen Bürgschaft 50.000 Euro zusätzlich hinterlegen wollen, dann ging es endlich.«

 

Michael Horbach ist bestimmt in seinen Ansichten, aber sanft im Ton. Wie reagiert sein Umfeld auf seine politischen Äußerungen? »Ich habe ja nicht viele Millionäre im Bekanntenkreis«, sagt er und lacht. »Das gibt mir nicht so viel.« Dann erzählt er die Geschichte seines ehemaligen Finanzvorstandes, der mittlerweile den Ethikfonds betreut, den Horbach zur Verwaltung seines Vermögens aufgesetzt hat. »Wir haben immer viel diskutiert«, erinnert sich Horbach. »Eines Tages meinte ich dann: ›Mensch Andreas, du denkst ja kritischer als ich.‹ Und dann meinte der: ›Glaubst du, dein jahrelanges Reden sei spurlos an mir vorüber-gegangen?‹ Da lief es mir eiskalt den Rücken runter.« 

 

Horbach sieht vor allem die Reichen und Konservativen in der Pflicht, ihre Haltung zu ändern — im Eigeninteresse und weil die gesellschaftliche Linke zu schwach sei. Viel Hoffnung hat er nicht: »Die, die Vermögensverhältnisse einfrieren wollen, sind die Totengräber unseres Systems. Zu den wirklich Reichen dringt man nicht durch. Die leben in einer eigenen Welt und wollen nicht mehr zuhören.« Zwar sind viele Milliardäre fleißige Spender in vermeintlich guter Absicht. Aber Horbach vertraut nicht auf private Ethik, sondern will mit Staat und Politik für mehr Verteilungsgerechtigkeit sorgen. »Wir haben ein Gemeinwesen mit einem demokratisch legitimierten Staat«, führt er aus. »Aber wir ersticken in privaten Gütern und in manchen Bereichen ist schon öffentliche Armut da.« 

 

Manchmal sagt Horbach Sätze wie: »In 200 Jahren werden die Menschen auf uns schauen, wie wir heute auf den Manchester-Kapitalismus schauen, und fassungslos sein.« Das klingt radikaler, als es ist. Denn der politische Diskurs in Deutschland hat sich so weit nach rechts verschoben, das selbst moderate Sozialreformen heute fast utopisch wirken. »In den Sechziger Jahren hatten wir einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent, unter Helmut Kohl gab es eine Vermögenssteuer. Heute ist es so, als ob das schon kommunistisch wäre.«

 

Bei der Bundestagswahl 2013 hat Horbach die Linke gewählt — 2017 wieder? »Das weiß ich noch nicht«, sagt er. »Wenn Martin Schulz was Vernünftiges macht, wähle ich ihn vielleicht. Sein Wahlkampfslogan ›Für mehr Gerechtigkeit‹ ist der Richtige. Aber er muss ihn mit Inhalt füllen.« Falls Schulz Kanzler werden sollte, solle er auch die Linke beteiligen, findet Horbach. Politik denkt er pragmatisch: Was kann ich mit wem erreichen? Bei Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) entdeckt er »marxistische Thesen«, über die Entwicklung von Jürgen Todenhöfer vom CDU-Hardliner, »den ich nicht ausstehen konnte«, zum bekannten Publizisten, »der Klartext redet«, freut er sich. »Wir müssen parteiübergreifend denken. Seit Schröder hatten wir fast immer eine linke Mehrheit in Deutschland. Das wird nur nicht genutzt.«