Multiphonics

Die Wandlung des Images der Klarinette von einem biederen Musikvereinsinstrument, an dem sich Kinder und Jugendliche mehr lustlos als inspiriert abmühen, zu einem verführerisch knarzenden, angenehm warm und holzig schwelgenden, elegant näselnden Leadinstrument des modernen Jazz ist erstaunlich. Eine Jekyll- und Hyde-Geschichte. Diese Verwandlung zelebriert das Kölner und darüber hinaus NRW-weit stattfindende Multiphonics-Festival.

 

Natürlich reist die europäische Klarinetten-Prominenz an (Louis Sclavis, Rolf Kühn, Claudio Puntin), im Mittelpunkt steht aber der aus Düsseldorf stammende und heute in Wien lebende Klaus Gesing. In den letzten Jahren ist die Bassklarinette in den Fokus seines Schaffens gerückt: für seine schwebende, leichtfüßige, unaufgeregt und bei aller mentalen Offenheit verbindlich aufspielende Musik das ideale Instrument.

 

Das mag überraschen, weil die Bassklarinette einen schweren, erdigen Klang hat, der zum Splittrigen, Krachigen neigt, wenn man das Instrument laut spielt. Deswegen feierte die Bassklarinette ihren Durchbruch als Soloinstrument auch erst im Free Jazz der 60er Jahre. Gesing schaut aber nach vorne, bei ihm wird dieser prinzipiell wuchtige Klang immer durchsichtiger, immer luftiger, bis er sich perfekt in die ambientesken, »globalen« Musikflächen fügt, die Gesing in seinen jüngsten Projekten oder auch in der Zusammenarbeit mit dem Oud-Virtuosen Anouar Brahem regelrecht pinselt. Es ist gemalte Musik, atmosphärisch dicht, dabei assoziationsfreudig und reich an Schattierungen.

 

Gesing ist »Artist in Residence« auf dem Multiphonics-Festival, zwischen dem 4. und 8.10. ist er in Köln in einer Vielzahl von Projekten und Workshops zu hören. Mal ist er Solist in einem anderen Ensemble (Meeresrauschen, Anouar Brahem Quartet), mal stellt er seine eigenen Formationen vor. Er erweist sich dabei nicht als Eklektiker der Virtuosität, sondern bleibt im Modus der subtilen Andeutung und aufdringlichen Eleganz. Gerade das führt dazu, dass sich das Interesse an seiner Musik nicht in Effekten erschöpft. Gesing steht exemplarisch für eine Generation von Jazzmusikern, die ihr Genre reformieren, nicht um der Form willen, sondern weil sie ihre Musik aus einem tiefen Traditionsbewusstsein heraus offen halten.