Köln Alexanderplatz

Adrian Kasnitz erzählt in seinem neuen Roman von einer Kreuzung in Köln

Eine Kreuzung in Köln, wo sich die KVB-Linien 7 und 146 gute Nacht sagen. Hierhin ist der Kriegsreporter »Bessermann« gezogen, um das Trauma seines vergangenen Einsatzes zu vergessen. Die Anrufe seiner Hamburger Redaktion weist er brüsk ab, beim Italiener gegenüber setzt er sich allein an einen Tisch, so dass ihn auch der Obdachlose, der an der Kreuzung sein Dauernachtlager eingerichtet hat, für ein wenig seltsam hält. Auch ein deutscher Exilant versucht verzweifelt, Bessermann in seiner Funktion als Journalist zu erreichen, aber auch er muss lange warten. Nur mit der Studentin Agnieszka tauscht sich Bessermann aus: im Facebook-Chat über Bücher und ihre selbstgemachten Fotografien.

 

Bessermann ist ein Episoden-roman, dessen Handlung sich in Schnitten entfaltet. Die Kölner Kreuzung könnte auch der Berliner Alexanderplatz sein: ein Ort, an dem sich viele Skizzen zu einer größeren Erzählung zusammenfügen. Aber »Bessermann« ist kein Großentwurf. Hier stehen die Sorgen einer Studentin im Lernstress neben Bessermanns Erinnerungen an die Stra-pazen seiner Kriegseinsätze, und die Zigarettenpause einer Kellnerin neben einem unaufdeckten Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs.

 

Erzählt wird all dies in einer unaufgeregten Sprache, die ihre Effekte hauptsächlich durch Schnitte erzielt, die Kasnitz wie ein Filmregisseur setzt. »Bessermann« bedient sich nicht nur bei der Literatur, sondern auch beim Film. Seine Kreuzung könnte auch im Springfield aus der Simpsons-Folge »22 Short Films about Springfield« stehen, in der sich nicht nur die Geschichten der Bewohner der amerikanischen Kleinstadt immer wieder kreuzen, sondern in der auch immer wieder andere non-lineare Erzählungen referenziert werden. Denn Kasnitz, der nebenbei für »Deine Freunde« politisch aktiv ist, legt nicht nur mit seiner Erzählperspektive Fährten aus, sondern auch durch Details im Text. Für deren Entschlüsselung kann ein breites Pop-Wissen nicht schaden — und natürlich auch ein wenig Ortskenntnis. Denn ebenso wie seine Hauptfigur ist die Stadt in »Bessermann« spezifisch und anonym zugleich und erzählt so von einem Köln, das mehr mit anderen Großstädten gemein hat, als es in seiner Selbstverliebtheit manchmal wahrhaben will.