Das gehört unter die Erde: Am Neumarkt sollen Bahnen bald unterirdisch fahren, Foto: Dörthe Boxberg

Stadt unter Zugzwang

Politik und Verwaltung möchten in Köln wieder eine U-Bahn bauen. Diesmal auf der Ost-West-Achse

Man traut sich wieder: Seit dem Archiveinsturz 2009, bei dem zwei Menschen starben, gehörte es zur verkehrspolitischen Pietät, keine U-Bahn-Projekte mehr auf die Agenda zu setzen. Allein die FDP fand das immer spießig. Schon wenige Monate nach dem Unglück wies sie auf die Notwendigkeit einer Verbesserung auf der Ost-West-Achse hin — mit einer U-Bahn, die womöglich von Deutz bis über die Innere Kanalstraße führe.

 

Die politischen Gegnern widersprachen nicht, sie schwiegen betreten. Die FDP hatte ja recht: Die Ost-West-Achse mit den Linien 1, 7 und 9 war bereits 2009 völlig überlastet. Heute ist sie noch völliger überlasteter, wie man mit dem Humor der freien Liberalen formulieren könnte. Aber würde eine U-Bahn das Problem lösen?

 

Seit Amtsantritt im Januar hat Verkehrsdezernentin Andrea Blome eine Studie dazu angekündigt, der Auftrag stammt noch aus dem Jahr 2011. Nun ist die Studie da, 138 Seiten lang, 125 MB groß.

 

In ihr geht es um das Gebiet zwischen Deutzer Brücke und Universitätsstraße und vor allem darum, was dort geschehen muss, um oberirdisch Langzüge einsetzen zu können. Die sind 90 Meter lang und können 50 Prozent mehr Fahrgäste befördern. Man braucht sie, weil eine erhöhte Fahrten-Taktung auf der stark befahrenen Strecke nicht möglich ist. Aber für längere Bahnen sind längere Bahnsteige notwendig. Weil es leichter wäre, die unterirdisch zu bauen, wurde zusätzlich ein möglicher U-Bahn-Tunnel vom Heumarkt bis zum Neumarkt untersucht. Zentral ist hier die Frage, ob die Bahnen vor oder hinter dem Neumarkt wieder nach oben gelangen.

 

Ob U-Bahn-Tunnel oder nicht — schon jetzt wird vorsorglich um den oberirdischen Platz gerangelt, der zusätzlich frei werden könnte: Spielstraßen und Begegnungsflächen für urbanes Outdoor-Häkeln wird es nicht geben. Der stadtplanerische Masterplan sieht aber eine Verbesserung für Fußgänger und Radfahrer vor. Doch auch Auto-Lobbyisten glauben schon, mehr Fahrbahnen beantragen zu können, weil sie nicht mehr »ins Lenkrad beißen« (CDU) wollen, wenn sie mit ihren Gesinnungsgenossen die Straße verstopfen.

 

Wie die Ost-West-Bahn künftig aussehen wird, darüber werden die Kölner Bürger mitentscheiden. Dass nichts ohne Beteiligung der Bürger passiere, behaupten Politiker in Köln heutzutage ja gerne — aber im Fall eines U-Bahn-Baus dürfte es ihnen besonders am Herzen liegen. Wer weiß schon, was passiert? Besser, man hat sich gegenüber den Wählern abgesichert.

 

Das Problem ist nur: Wie soll die Bürgerbeteiligung aussehen? Was steht überhaupt zur Diskussion? Und begünstigt nicht schon die Entscheidung für ein bestimmtes Verfahren das Resultat, das dabei herauskommt?

 

Diese Befürchtung hat nicht nur Michael Weisenstein (Linke), aber er formuliert sie am deutlichsten. Man müsse den Bürgern klarmachen, dass, wenn sie sich für eine Strecke mit mehreren Stationen entschieden, das Ergebnis erst in ferner Zukunft nutzbar wäre. Zehn, 15 Jahre Bauzeit seien nicht abwegig, und das bedeutet womöglich auch zehn, 15 Jahre Baustellen, die statt einer Entlastung zunächst neue Verkehrsprobleme brächten.

 

Obwohl man sich im Verkehrsausschuss auferlegt hatte, nicht über die Studie, sondern über die Beteiligung der Bürger zu sprechen, rasselten Reinhard Houben (FDP) und Weisenstein dort aneinander. Die FDP will nach wie vor den großen Wurf: Am liebsten hätte sie, dass die neue Strecke unterirdisch bis hinter die Innere Kanalstraße führt und erst wieder hinter Melaten auftaucht. Weisenstein hingegen kann sich auch weiterhin eine oberirdische Führung vorstellen. Das Geld für einen weiteren U-Bahn-Tunnel könne man zum Ausbau an anderen Stellen, etwa im Rechtsrheinischen, besser verwenden, findet Weisenstein.

 

Die Bürgerbeteiligung soll noch in diesem Jahr einer »ergebnisoffenen Diskussion zur Ermittlung einer Vorzugsvariante« dienen. Im Frühjahr 2018 will Blome dann der Politik eine Variante vorstellen. Dass sie selbst einen kurzen Tunnel favorisiert, hat sie bereits durchblicken lassen, ähnlich soll sich der ehemalige Baudezernent Franz-Josef Höing schon vor einem Jahr gegenüber Vertretern von Politik und Verwaltung geäußert haben.

 

Dass die Verkehrsdezernentin die Planungs-Fantasie der FDP eher einhegt als beflügelt, könnte auch mit ihrem Know-how zu tun haben. Andrea Blome war zuvor zwölf Jahre Amtsleiterin für Verkehrsmanagement in Düsseldorf und dort schon mit dem Bau einer U-Bahn befasst: Die Wehrhahn-Linie ging vor anderthalb Jahren in Betrieb, nahezu pünktlich und ohne die Kosten zu sprengen. Es kam niemand zu Tode, kein Stadtarchiv stürzte ein.

 

Die Düsseldorfer Wehrhahn-Linie umfasst immerhin sechs -Stationen. Es wäre eine böswillige Unterstellung, dass Blome den -Kölnern mehr nicht zutraut. Außerdem hätte Köln mit der Variante, künftig lediglich den Heumarkt unterirdisch anzufahren, immerhin ein weiteres Kuriosum zu bieten: die vielleicht kürzeste U-Bahn-Strecke Deutschands.