Bücher mit Haltung: Wie erklärt man Kindern Krieg und Flucht? Foto: © Stiftung Lesen

Syrien statt Småland

Wie erklärt man Kindern Krieg und Flucht?

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint — ein Gedanke, der unweigerlich entsteht, betrachtet man die Fülle an Kinder- und Jugendliteratur, die in den vergangenen zwei bis drei Jahren zu den Themen Krieg und Vertreibung entstanden sind. In dem Bemühen, westlichen Kindern Berührungsängste zu nehmen, die sie vielleicht niemals hatten, dominieren häufig die allzu bekannten Floskeln von »heimischen Kindern« und »ihren neuen Freunden von weit her«.

 

Es gibt Ausnahmen: Anja Tuckermanns Geschichten- und Bildersammelsurium »Alle da!« beispielsweise oder »Bestimmt wird alles gut!« von der Kinderbuchautorin Kirsten Boie. Es beruht auf den Erzählungen der beiden syrischen Geschwister Rahaf und Hassan, die Boie in einer Unterkunft für Geflüchtete traf. Heute wird das Buch auch in der Therapie traumatisierter Kindern eingesetzt.

 

Doch wie erklärt man Kindern Krieg und Terror? Wie viel ist einerseits zumutbar? Und wie kann es andererseits gelingen, Flucht nicht zu verharmlosen? Die Kölner Literaturpädagogin Stefanie Boor bietet regelmäßig Projekte und Workshops in Kitas und Schulen an. Nicht das Sprechen über Krieg und Vertreibung, sondern die Sprachlosigkeit ist es, was Kindern Angst mache, sagt sie. »Sie begegnen heute fast täglich Bildern, die Gewalt in Kriegs- und Krisengebieten dokumentieren — egal, ob auf der Titelseite einer Zeitung oder dem Info-Screen an der U-Bahn-Haltestelle.« Bücher, sagt Stefanie Boor, könnten helfen, miteinander über diese Eindrücke ins Gespräch zu kommen.

 

Welche Bücher dazu taugen, Empathie zu schaffen und nicht bloß Mitleid — mit dieser Frage beschäftigt sich die Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung in ihrem Jahrbuch 2017, das in einigen Wochen online erscheinen wird. Darin wird untersucht, welche Stereotype die Fluchtgeschichten in Kinderbüchern prägen. Welche Bedeutung haben sie für die Erinnerungskultur? Und welche postkolonialen Vorstellungen über die eigene Identität und die der »Anderen« stehen eigentlich zwischen den Zeilen?

 

 

Gesellschaft für Kinder- und Jugendliteraturforschung, gkjf.de