Damals wie heute: In der Kölschkneipe Im Höttchen ist die Zeit stehen geblieben, bärtige Hipster aber gibt es jetzt überall im Veedel, Foto: R. Maro / version-foto.de

Wer rettet Ehrenfeld? Teil II

Jan Lüke ist Stadtrevue-Redakteur, seit zehn Jahren Ehrenfelder und

findet eine ausgewogene Mischung heute eher im Müsli als im Veedel

 

Ehrenfeld ist nicht mehr für alle

 

Ehrenfeld hat ein Problem — und ich bin ein Teil davon. Ich brauchte da-mals kurzfristig eine Bleibe in Köln, Bekannte sagten, dass Ehrenfeld gera-de spannend sei. Zwei Wo-chen später hatte ich ein Zimmer. Wenn ich über Verdrängung in der Stadt spreche, spreche ich also auch über mich. Verdrängung ist ein abstrakter Begriff, Verdrängung hat aber auch konkrete Gesichter. Meines zum Beispiel.

 

Wer hat das Recht auf Stadt? Und wer hat das Recht, Beschwerde zu führen, dass ihm die Stadt genommen wird? Auf einer persönlichen Ebene tue ich mich damit jedenfalls schwer. Es sind die Geister, die ich rief. Deshalb aber entlasse ich Politik nicht aus ihrer Verantwortung, diese Entwicklung zu stoppen, um die Stadt für alle Menschen zu erhalten. Und Ehrenfeld, das ist nicht mehr für alle. Dass manch einer darüber ganz froh ist, daran erinnerten mich
vor ein paar Wochen die Handwerker. »Nä, wat ’ne schäbige Ecke hier!«, sagte einer von ihnen, als er in meiner Wohnung am Fenster stand. Sein mitleidiger Blick schien zu fragen, wann mich hier endlich jemand rausholen würde.

 

Noch immer erlebe ich das Veedel als uneinheitlich. Es gibt alte Menschen und Migranten. Es gibt Ein-Euro-Läden und Wettbüros. Es gibt ein Porsche-Center. Und das Leben spielt sich auf der Straße ab. Trotzdem wird Ehrenfeld zusehends homogener. Zwar ist »multikulti« immer noch das, wie viele Ehrenfelder sich sehen möchten und wie die Stadt das Veedel mittlerweile vermarktet. Das Leben in Ehrenfeld wird davon aber nicht überall geprägt. Ich erlebe verschiedene Milieus in der eingesessenen Ehrenfelder Backstube oder der Eckkneipe. Ich bin aber auch in Bio-Supermärkten und Cafés, in denen allenfalls das Müsli eine ausgewogene Mischung hat. Denn durchmischt ist Ehrenfeld viel zu selten — es spaltet sich auf in ein Nebeneinander. 

 


»Wer rettet Ehrenfeld»
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→ Wer rettet Ehrenfeld?
→ Ehrenfeld – eine Komödie

 


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→ Ehrenfeld (2010)
→ Kalk (2011)
→ Mülheim (2012)
→ Porz (2013)
→ Nippes (2014)
→ Chorweiler (2015)
→ Deutz (2016)