Das ist noch nicht genug: Spritzenautomat für Drogenabhängige, Foto: Dörthe Boxberg

Nicht so berauschend

Köln hat umfassende Hilfsangebote für Drogen­abhängige beschlossen. Aber viel zu spät

Die Thieboldsgasse ist eine unscheinbare Seitenstraße am Neumarkt. Bald wird sie bekannter sein: Hier startet die Stadt Köln ein umfassendes Drogenhilfekonzept. In der Hausnummer 146 wird 2018 ein lange geplanter Drogenkonsumraum eröffnet. Bis 2021 sollen fünf vergleichbare Angebote folgen. Das beschloss der Stadtrat Ende September.

 

Das sei »ein breites, flächendeckenden und niederschwelligen Angebot zur Suchthilfe«, sagt Ralf Unna (Grüne), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Das Angebot am Neumarkt ergänzt ein ähnliches Angebot des Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) am Hauptbahnhof. Weitere sollen folgen: 2019 in Mülheim, 2020 in Kalk, später in Meschenich, Porz, Chorweiler. Dafür hat der Stadtrat bis 2021 mehrere Millionen Euro in Aussicht gestellt; im Haushaltsjahr 2018 fast 1,4 Mio. Euro am Neumarkt, und 500.000 Euro für die Planungen am Wiener Platz in Mülheim. Michael Paetzold (SPD), Vorsitzender des Sozialausschusses, sagt: »In vielen Punkten ist das Konzept das, was die SPD schon immer gefordert hat.« Die Partei habe es immer abgelehnt, erst den Drogenkonsumraum zu evaluieren, bevor man sich um andere Hotspots kümmert.

 

Dennoch hat es lange gedauert, bis das Drogenproblem auf Straßen und Plätzen angegangen wurde. Am Neumarkt gehen seit Jahren vermehrt Beschwerden über den Drogenkonsum ein — die aber letztlich dazu geführt haben, dass sich der Start des Drogenhilfekonzepts immer weiter verzögerte.

 

Im Mai gründete sich die Bürgerinitiative »Zukunft Neumarkt«, um den Drogenkonsumraum zu verhindern. Es werde »aus Steuergeldern die weitere Verslumung der Innenstadt finanziert«, behauptet die BI. Die Wut auf Politik und Verwaltung war riesig — die Sorge um die Drogensüchtigen schon kleiner. Deshalb gab es im Juli einen Runden Tisch unter Sozialdezernent Harald Rau — die Lager hatten sich da allerdings längst zu weit voneinander entfernt. »Wir wollen jegliche Kritik versachlichen. Die Diktion der Initiative war aber in Teilen unangemessen«, sagt Ralf Unna. Allerdings kommt der Rat jetzt der Forderung der BI nach »Entwicklung und Umsetzung eines dezentralen Drogenhilfekonzepts« nach. Der Standort Neumarkt stand trotz der Proteste jedoch nie zur Debatte: Drogenkonsumräume können nur dort helfen, wo sich Suchtkranke aufhalten. Wer vorschlage, dass sich Abhängige, die am Neumarkt Drogen gekauft haben, für den kontrollierten Konsum in die Straßenbahn zum SKM-Angebot am Hauptbahnhof setzen sollten, verstehe deren Krankheit nicht, erläutert Ralf Unna. 

 

Dass sich die Szene aber bewegt, neue Treffpunkte sucht wird das Konzept nicht verhindern. »Wenn wir merken, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren, werden wir reagieren«, verspricht Unna.

 

Nicht reagiert hat man bisher auf die Situation am Ebertplatz, der als Hotspot für den Drogenverkauf gilt. Der Ebertplatz sei deshalb ein Kriminalitätsschwerpunkt, erklärt die Kölner Polizei — aber kein Schwerpunkt des Konsums von Drogen. Sollte sich das ändern, müsste die Stadt auch hier mit Hilfen reagieren. Um das beurteilen zu können, bekommt Köln nun, was Städte wie Berlin längst haben: eine fundierte wissenschaftliche Analyse des Drogenkonsums in der Stadt. »Wir werden valide Daten erhalten, wo und was konsumiert wird und wie die Szene aussieht«, sagt Unna.

 

Der Drogenkonsumraum am Neumarkt soll Mitte 2018 eröffnen. Die Angebote in Mülheim und Kalk könnten sich durch die Suche nach einer passenden Immobilie und weitere Proteste verzögern — das hat der Neumarkt gezeigt. Die Pläne der Stadt sind ambitioniert. Aus den Bezirken hört man schon Unmut, dass man dort mit den Problemen noch Jahre alleingelassen werde — obwohl auch hier die Situation lange bekannt ist. Für viele Abhängige wird die Hilfe womöglich zu spät kommen.