Melvins

Es muss etwa 1992 oder‘93 gewesen sein, als die Melvins ihr bis heute wohl bekanntestes Album »Houdini« einspielten: Damals muss das gegen-seitige Verständnis von Gitarrist Buzz Osborne und Schlagzeuger Dale Crover eine Tiefe erreicht ha-ben, die es allen weiteren potentiellen Bandmit-gliedern so verdammt schwer machen würde, sich da hineinzufuchsen. Die Melvins sind ja nicht nur die unkonventionellste und unberechenbarste Doom- und Sludge-Band (was angesichts dieses variationsarmen Genres eine nicht hoch genug zu be--wer-tende Leistung darstellt), sie sind vor allem Workaholics. Die Zahl der Bassisten, die Crover und Buzzo in den letzten 30 Jahren verschlissen haben, ist Legende. Seit 2005 -verzichten sie ganz auf ein festes drittes Bandmitglied und holen sich die Musiker hinzu, die sie gerade brauchen. Und man höre und staune: In letzter Zeit vernahm man Stimmen, die den Melvins, diesen Hohepriestern der unausweichlichen Wucht, Verzettelung konstatierten.

 

Steve McDonald ist seit letztem Jahr ihr Bassist. Er hat mit Redd Kross in den 80er und 90ern unbeschwerten Teenager-Bubblegum-Punk gespielt. Es sieht ganz danach aus, als hätte er eine neue Pop-Sensi-bilität in den monolithischen Ur-sound der Melvins eingeführt.
»A Walk with Love & Death«, ihr jüngst erschienenes Doppelalbum, klingt differenzierter, zurückgenommener, durchhörbarer und paradoxerweise deshalb homo-gener als viele Melvins-Alben der letzten Jahre. (»A Walk ...« enthält aber auch einen Soundtrack zu einem Experimentalfilm von Jesse Nieminen, und der ist wiederum durchgebimmelter Transzendentalkrach.) 

 

Das setzt sich auch auf der Bühne fort. Mit McDonald haben Buzzo und Crover zwar auch ihre großen Sludge-Hymnen gespielt (»Hung Bunny«, »Roman Dog Bird«), Stücke, die als präzise Übersetzung von cheesy Hardrock-Nummern der 70er Jahre in den nihilistischen Hard-core der 80er angelegt sind. In der neuen Trio-Konstellation klingen sie aber gelassener, entspannter und, ja, auch lustiger. Sie covern die Beatles (»I want to hold your hand«) und David Bowie (»Saviour Ma--chine«), womit sie endgültig im Co-medy-Genre angekommen sind. Das ist nicht despektierlich gemeint: Schließlich ist ihre Musik immer noch dermaßen heavy, dass es be-sonderer Maßnahmen bedarf, sie beweglich zu halten.