Sinnlich und beglückend

Das Theaterkollektiv Subbotnik mischt die Szene mit einer eigenwilligen Mischung aus Musik und Schauspiel auf

Das Theaterkollektiv »Subbotnik« hat den Mix auf allen Ebenen zum Prinzip erklärt. Das beginnt schon bei der Herkunft. Einer kommt aus der Ukraine, einer hat kasachisch-weißrussische Wurzeln, der Dritte ist Deutscher. 2012 gründete sich das Kollektiv, in dem der Musiker Kornelius Heidebrecht, der Regisseur Martin Klöpfer und der Schauspieler Oleg Zhukov bereits aus ihren Tätigkeitsfeldern heraus eine große Bandbreite von Schauspiel und Musik abdecken. Entsprechend bunt ist der Genremix, der für ge-wöhn-lich ihre Aufführungen -auszeichnet. Von Live-Hörspiel-Elementen, gespielten Szenen, Anek-doten, Choreografien bis zur Livemusik: die Palette der Möglichkeiten scheint für das spiel- und experimentierfreudige Kollektiv ebenso unerschöpflich wie die -Vielzahl an Themen.

 

Kein Wunder, dass die Gruppe versucht, von engen Strukturen fern zu bleiben und mit großem Erfolg zwischen Stadttheater und freien Produktionen wechselt. Dieser Drang in der Arbeit frei zu sein, drückt sich, mit einer gehörigen Portion Selbstironie versehen, auch im Namen aus: Subbotnik stand in der UdSSR und anderen Ostblockstaaten für Extra-Arbeit, »freiwillige Samstagsarbeit im Dienst der Gemeinschaft«.

 

Vielfältig sind auch ihre Spielorte. Während es in Düsseldorf das Forum Freies Theater ist, gibt es in Köln mit dem Schauspiel, dem Freien Werkstatt-Theater und der Studiobühne gleich mehre Spielorte, an denen ihre Stücke aufgeführt werden. Dabei haben sich die drei Theatermacher ebenso auf dem Feld des Kinder- wie Erwachsenen-Theaters einen Namen gemacht. Oftmals geht es dabei um die Widrigkeiten des Lebens, die sich in fantastischen Geschichten widerspiegeln, wie etwa Eichendorffs »Aus dem Leben eines Taugenichts« oder dem »Traum eines lächerlichen Menschen« nach Fjodor M. Dostojewski.

 

Bei letzterem Stück tummelt sich in fünf Hütten eine bunte Gesellschaft, deren lebendiger Alltag vom »lächerlichen Mann« mit Skepsis und Gleichgültigkeit wahrgenommen wird. Ausgeschlossen vom Geschehen treibt ihn sein Außenseiterdasein zur Idee, sich umzubringen. Doch bevor der Schuss aus seinem Revolver fällt, sinkt er in einen tiefen Schlaf und träumt sich in eine fremde Welt, in der die Utopie einer glücklichen Gemeinschaft auch für ihn möglich zu werden scheint. Nicht die Poetik der Erzählung, sondern die von Oleg Zhukov als musikalischen Leiter ausgewählte und komponierte Musik bestimmt den Rhythmus des Theaterabends.

 

In dem Kinderstück »Robinson Crusoe« quält sich der junge Robinson mit seinem strengen Klavierlehrer (Kornelius Heidebrecht) herum, der ihm das Mantra des ständigen Übens einhämmern will, statt der Fantasie Flügel zu verleihen. Das Abenteuer des Robinson Crusoe beginnt bei Subbotnik als Erzählung eines Ausbruchs aus der Norm. Die Fantasie der Zuschauer wird dabei nicht nur über exotische Sehnsuchtsorte angesprochen, sondern ganz direkt als modernes Literatur-Theater: Alltagsgegenstände wie Wasserkästen und Bretter verwandeln sich in Häuser, Hafenanlagen und Schiffe. Aus dem Nichts wird ein gewaltiger Sturm heraufbeschworen, wenig später tobt im Theater gar eine Seeschlacht: Soundelemente, Live-Musik und die entsprechenden Geräusche machen es möglich, dass ganze Welten entstehen.

Dass sich hier laute und ganz leise Passagen abwechseln und der Zuschauer zum genauen Zuhören angehalten wird, hat Methode und Symbolcharakter. Ums richtige Zuhören geht es im Umgang miteinander. Im ständigen Prozess der Verwandlung sind bei Subbotnik nicht nur ihre Helden, auch die jeweiligen Stücke werden laufend überarbeitet. Alles ist im Fluss, eine endgültige Fassung gibt es nicht.

 

2016 wurde die Experimentierfreude der Gruppe mit dem Kölner Theaterpreis im Bereich Kinderthea-ter belohnt. Dabei spricht die fantasiereiche Schöpfungsgeschichte »Götter: Wie die Welt entstand«, wie alle ihre Kinderstücke, auch ein Erwachsenenpublikum an. Mit unbändiger Fabulierlust schütten sie hier ein wahres Füllhorn an Bühneneinfällen aus, um wie immer genre- und generationsübergreifend mit oftmals erstaunlich einfachen Mitteln große Schauwerte zu erzielen. Viel beglückender und sinnlicher kann man als Zuschauer kaum den Zauber eines Theaterabends erleben.

 

Die nächste Gelegenheit, das Köln-Düsseldorfer-Kollektiv auf der Bühne zu bewundern, bietet sich im November. Dann erlebt »Keep the wolf from the door« in der Studiobühne seine Uraufführung. Die Handlung wurde von einem Zeitungsessay des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgård inspiriert, den dieser in der New York Times veröffentlichte. Hier erzählt er von einem berühmten englischen Arzt, der in Albanien riskante Gehirn-Operationen vornimmt. Die Patient*innen sind während des Eingriffs bei vollem Bewusstsein. Die Haare werden rasiert. Die Schädeldecke wird geöffnet — und man erhält Einblick in Geschichten und Landschaften innerhalb des Menschen. Im Kopf liegt eine Grenze, an der das Gebiet der physikalischen Tatsachen endet und ein anderes Land beginnt. Mit Cembalo, Klavier, Theremin und Operngesang geht der poetische Musikabend der Frage nach, ob man den Sitz der Seele mit einem Messer suchen kann.