Hängen jetzt in der Luft: Naturschützer gegen Baumfällungen, Foto: 300baeume.de

Aus der Baum

Die Stadt hat für die Nord-Süd-Stadtbahn 300 Bäume gefällt. Den Protest hat sie unterschätzt

Der »Woodcracker« machte seinem Namen alle Ehre. Entlang der Bonner Straße hat das wuchtige Spezialwerkzeug ganze Arbeit geleistet. Dort hatte die Stadt Ende Oktober begonnen, über 300 Bäume abzuholzen, um mit der dritten Baustufe der Nord-Süd-Bahn zu beginnen. Mittlerweile sind die Bäume zwischen Bonner Wall und Verteilerkreis verschwunden. Von den massiven Protesten, die die Fällungen begleitet haben, zeugen nur noch Plakate, Trauerschleifen und Grabkerzen.

 

Ottmar Lattorf steht an der Bonner Straße, Ecke Schönhauser Straße. Schräg gegenüber liegt die Villa Lenders, auch ihr Abriss ist beschlossen. Lattorf ist Mitglied bei »Natur, Bildung und Soziales« (Nabis), einem Verein, der sich über Jahre mit anderen Initiativen für den Erhalt der Bäume stark gemacht. »Wir sind nicht dagegen, den ÖPNV auszubauen«, erklärt Lattorf. »Wir waren für die Bäume.« Die Bürgerinitiativen vor Ort, darunter Nabis, wollten die Streckenführung ändern, um die Bäume, größtenteils über 50 Jahre alte Linden, zu erhalten. Lange haben sie sich dafür eingesetzt — auch vor Gericht. Im letzten Jahr hatten drei Anwohner gegen den Planfeststellungsbeschluss der Nord-Süd-Trasse geklagt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte die Klage im vergangenen Dezember abgewiesen. Die Stadt fällte dennoch nicht zu Jahresbeginn, sondern erst nach der Vegetationsphase, die im Oktober endete.

 

Bis zuletzt hatten die Baumschützer Hoffnung, die Rodung zu verhindern. Sie wähnten sich im Dialog mit Verkehrsdezernentin Andrea Blome und dem Bauherrn, dem Amt für Brücken, Tunnel und Stadtbahnbau. »Uns wurden weitere Gespräche zugesagt, dann wurden die Fällungen anberaumt. Das war schlechter Stil«, sagt Ottmar Lattorf von Nabis. »So geht man nicht mit Leuten um, die sich über Jahre konstruktiv eingebracht haben.« Verkehrsdezernentin Blome beteuerte, sie habe keine Planungsänderungen mehr in Aussicht gestellt. Sie verwies wiederholt auf das Bürgerbeteiligungsverfahren 2013. Die »verwaltungsseitige Prüfung von Änderungswünschen« war abgeschlossen. Spätestens als daraufhin Anfang Oktober aus dem Kreis der Bürgerinitiativen per Eilantrag eine weitere erfolglose Klage gegen Verfahrensfehler im Planfeststellungsbeschluss eingereicht wurde, verhärteten sich die Fronten. Die Proteste an der Bonner Straße waren heftig, die Fällungen fanden teilweise unter großem Polizeiaufgebot statt. Mittlerweile beschäftigt das Thema gar die Staatsanwaltschaft. Die Stadtverwaltung hat wegen Morddrohungen gegen OB Reker und Verkehrsdezernentin Blome, die in Zusammenhang mit den Fällungen stehen sollen, Anzeige erstattet.

 

Die Politik mischte sich nicht mehr ein. Die Beschlüsse sind gefasst, Fördergelder aus Landes- und Bundesmittel bewilligt, spätestens bis 2019 müssen sie abgerufen werden. Ebenso wurden 464 Ersatzpflanzungen für die 303 gefällten Bäumen, davon 222 an der Bonner Straße, bewilligt. OB Reker wiederholte ihr Mantra, man müsse »den Herausforderungen einer wachsenden Stadt gerecht werden«.

 

Für das kommende Jahr sind die notwendigen Bodenarbeiten an der Bonner Straße angesetzt, für 2019 dann der Bahn- und Straßenbau. Kein Starttermin ist bislang für die vierte und letzte Baustufe der Nord-Süd-Bahn bekannt, die bis nach Meschenich führen soll. Noch ungewisser ist, wann letztlich die gesamte Nord-Süd-Bahn ihren Betrieb aufnehmen wird. Maßgeblich dafür ist die Beweissicherung im Prozess um den Archiveinsturz am Waidmarkt 2009 bei den Arbeiten an der ersten Baustufe. Der Prozess wird am 17. Januar 2018 beginnen, wie das Kölner Landgericht im November mitteilte. Vor 2024 aber wird die KVB ihre Kunden wohl nicht vom Breslauer Platz bis nach Meschenich gondeln können. Dann läge die Stadt bei einer Verzögerung von 15 Jahren. Vor Baubeginn war die Inbetriebnahme zum Jahreswechsel 2009/10 angedacht.