Alles im Kasten

Seit sieben Jahren verrottet das ehemalige Hertie-Warenhaus mitten in Porz.

Das einstige Prestige-Projekt steht heute für den Niedergang des Stadtteils. In diesen Tagen soll das Gebäude einem neuen Porzer Zentrum weichen. Vor dem Abriss hat unsere Fotografin Dörthe Boxberg noch einmal das Gebäude erkundet

Wo ist Krähe? In der Erinnerung steht er noch immer vor dem Warenhaus. Im Kreise seiner Kumpels, ungeduldigen Männern mit Bierflaschen, die auf etwas warten, von dem sie nur wissen, dass es nie eintreffen wird. Vielleicht waren sie bloß am falschen Ort. Aber Ende der 80er Jahre waren viele Porzer am falschen Ort, auch wenn sie nicht vor dem Karstadt standen.

 

Karstadt, das nach 2005 Hertie heißt, ist ein Kasten. Er steht im Weg. Jeder muss den Kasten durchqueren, wenn er vom Bus oder der Bahn zum Rathaus, zum Rhein oder zur Hauptstraße gelangen will  oder umgekehrt. Man drückt die gläsernen Eingangstüren auf, durchstößt den stickigen Türluftschleier und schreitet durchs Parterre mit den Textilien, Lederwaren, Kosmetikartikeln, um wieder ins Freie zu gelangen.

 

Manch einer bleibt im Kasten stecken. Eine Bluse, ein Stofftier, ein neuer Duschvorhang. »Benutzen der Fahrtreppen für Kinder mit Gummi- oder Plastikstiefeln verboten — Unfallgefahr«, steht auf einem Schild. Kinder testen, ob das Profil ihrer Gummistiefel in die Rillen der Rolltreppe passt, damit ihr Leben in Porz aufregender werde. Das Kellergeschoss heißt Basement. Porz ist gewappnet für internationale Gäste, die Innenstadt nennt man seit den 70er Jahren »Centrum«, später »Porzity«. 

 

Das Warenhaus mit Tiefgarage wird 1971 errichtet. Die aufstrebende Stadt Porz baut die Zukunft — eine Attraktion gegen all die Attraktionen im übermächtigen Köln. Vier Jahre später wird Porz nach Köln eingemeindet. Vieles wird in Porz schlechter. Die einen sagen, die Eingemeindung sei schuld. Die anderen sagen, es wäre ohnehin so gekommen.

 

Die Kassiererinnen sind strenge Damen. Jugendliche sind verdächtig: Schulschwänzer, Ladendiebe. Der Kauf-hausdetektiv ist so auffällig, dass ihn jeder kennt. Es gibt eine Lichtgestalt. Den freundlichen Herrn an der Kasse im ersten Obergeschoss. Jeder Kauf eines Handtuchs oder einer Weinkaraffe beflügelt ihn. Er zieht tänzelnd den Bon aus der Kasse und steckt die Ware in die Plastiktragetasche, als sei es eine liturgische Handlung. Irgendwann ist »Karstadt-Susi«, wie ihn böse Menschen nennen, nicht mehr da. Er habe sich umgebracht, sagen die einen. Er arbeite jetzt »in Köln«, sagen die anderen.

 

Auch im Karstadt-Café tut man international. Sind »Französische Wochen«, gibt es Zwiebelsuppe. Man kann Kaffee mit Kakaopulver auf dem Schaum trinken. Die älteren Damen, die ihre Hüte aufbehalten, sitzen vor Filterkaffee. Manch eine bleibt den ganzen Nachmittag sitzen und blickt durch die großen Scheiben auf den Marktplatz.

 

Irgendwann, an einem heißen Sommertag, grölt Krähe, er habe Brand. Er brauche sofort einen Kasten! Krähes Kumpel nicken, sie streiten, wer den Kasten in der Lebensmittelabteilung des Karstadt kaufen muss. Später steht Krähe mit seinen Leuten um den Kasten herum: Es ist Fanta. Mal  paar Vitamine zwischendurch, feixt Krähe ungefragt.

 

Irgendwann ist Krähe weg. Vielleicht tot, vielleicht in Köln. Das Ende des Karstadt bekommt er jedenfalls nicht mit. Nun beginnt der Abriss. Die heutigen Planer schütteln den Kopf über die damaligen — ein Klotz, der im Weg steht, mitten in der Innenstadt! Sie errichten nun drei kleinere Klötze. Darüber werden dann in einigen Jahren andere -Planer den Kopf schütteln.