Belebte No-Go-Zone: Aktion im Kunstraum Tiefgarage, Foto: Dörthe Boxberg

Platz als Projektionsfläche

Stadt und Medien haben den Ebertplatz als Problem entdeckt. Das schadet denen, die ihn schon lange nutzen

 

Erst schrieben Kölner Medien von »No-Go-Zone«, dann das rechtsextreme Internetportal Breitbart und danach wurde es wahr. Am 4. November versammelten sich mittags etwa 60 Angehörige der rechten FC-Hooligan-Szene auf dem Ebertplatz. Am Abend kehrte rund ein Dutzend von ihnen zurück. Es kam zu einer Rangelei mit Afrikanern, die sich dort aufhielten, und die anwesenden Galeriebetreiber riefen die Polizei. Am Ende des Abends standen zwei Festnahmen wegen »aggressiven Verhaltens« gegenüber Polizeibeamten, eine Anzeige wegen »volksverhetzender Äußerungen gegen Schwarzafrikaner« und ein Hooligan, der den Galeristen erklärte, dass die Polizei nichts gegen die Lage auf dem Ebertplatz tue und sie nur gekommen seien, um ihnen zu helfen.

 

Der Hooliganauftritt stand am Ende von drei Wochen, in denen Köln mal wieder zur Projektionsfläche geworden war. Mitte Oktober ist  ein 22-jähriger Guineer nach einem Streit am Ebertplatz an den Folgen eines Messerstichs gestorben, seitdem haben Medien aus ganz Deutschland den Platz am Rande des Agnesviertels für sich entdeckt. »Nur wenige trauen sich noch hierher«, schrieb der Focus Anfang November. »Schon lange meiden Anwohner und Passanten den Ebertplatz«, behauptete der Kölner Stadt-Anzeiger — trotz der 60.000 Fahrgäste, die dort täglich die KVB-Station nutzen. 

 

»Der Ebertplatz gilt als Brennpunkt im Bereich Drogenkriminalität«, erklärt Polizeisprecher Christoph Gilles. Die Zahl der Betäubungsmitteldelikte sei gestiegen, Gilles erklärt dies mit erhöhter Polizeipräsenz: »Keine Kontrolle — keine Anzeigen.« Ansonsten ist die Bilanz gemischt. Raub- und Körperverletzungsdelikte seien seit dem letzten Jahr gestiegen, Taschendiebstahlsdelikte aber gesunken. Die Zahl der Sexualdelikte bewege sich »im niedrigen einstelligen Bereich«.

 

Die Moralpanik am Ebertplatz trifft zuerst die, die seit Jahren dort aktiv sind. »Unser Umsatz ist in den letzten Monaten auf fast die Hälfte eingebrochen«, erzählt Evens Onserio. Seit elf Jahren betreibt er die Bar »Bistro-Treff« in der Ebertplatz-Passage. Hier treffen sich hauptsächlich Kenia-stämmige Menschen. »In deutschen Kneipen war es nicht immer angenehm«, erinnert Onserio sich und lacht: »Wir Afrikaner sind manchmal laut. Das finden die Deutschen komisch.« Der »Bistro-Treff« ist eine Art Community-Center. Es wird getrunken und getanzt, aber es findet sich auch jemand, der mit Schreiben in Behördendeutsch weiterhilft.

 

Das könnte jetzt ein Ende haben. »Jemand hat mich angerufen und erklärt, dass die Kündigung fertig ist. Wir sollten sie abholen«, erzählt Onserio. Sein Ladenlokal gehört der Stadt — ebenso wie der Copyshop gegenüber, die Kneipe »African Drum«, wo sich die westafrikanische Community trifft, und die vier Kunsträume, die sich in der Ebertplatz-Passage befinden. Ende Oktober wurde ihren Betreibern von der Stadt angekündigt, dass sie ihre Räume bis zum Sommer 2018 verlassen müssen. Dem Kunstraum Labor wurde gar formell wirksam gekündigt, auch wurde bekannt, dass die Stadt erwägt, die Zugänge zur Passage zu schließen

 

Ein paar Tage später bezeichnete Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Kündigungen als »verfrüht«. Sie sollen überprüft werden, zurückgenommen sind sie aber nicht. Reker hat eine Projektgruppe einberufen, die noch in diesem Jahr ein Interimskonzept ausarbeiten soll, bis der Ebertplatz, wie im Masterplan von 2009 vorgesehen, umgebaut wird. In ihr soll mit »allen relevanten Akteuren« entschieden werden, ob den Kunsträumen gekündigt und die Passage geschlossen wird. Die Ebertplatz-Passage sei ein »Angstraum«, sagte Stadtdirektor Stephan Keller. Den würde er gerne schließen und aufschütten: »Im Idealfall gäbe es eine Lösung, die die Ebenengleichheit zum Ebertplatz herstellt«, erklärte er Mitte November auf einer Podiumsdiskussion. Dabei ist die Passage nicht der Kriminalitätsschwerpunkt: »Die Anzahl der dort festgestellten Straftaten liegt auf niedrigem einstelligen Niveau«, erklärt Polizeisprecher Gilles. Die meisten Verbrechen würden in der Platzmitte und der KVB-Station festgestellt.

 

Auch die Politik sieht die Schließung der Passage kritisch. Der grüne Geschäftsführer Jörg Frank nannte sie »unüberlegten Aktionismus«. »Wir kannten diese Pläne lediglich aus der Presse«, sagt auch Regina Börschel, die für die SPD in der Bezirksvertretung Innenstadt sitzt. Auf ihre Initiative hatte die BV Anfang 2017 beschlossen, die Beleuchtung am Ebertplatz zu verbessern und die Blumenbeete neben der Busspur abzubauen. »Die Verwaltung bezeichnet das jetzt als ihre Sofortmaßnahmen.« Für die Zukunft wünscht sich Börschel mehr Beteiligung von Politik und Anwohnern. Ab Sommer 2018 soll das Beteiligungsverfahren für die Neuplanung des Ebertplatzes beginnen: »Das sollte so offen wie möglich sein.« Die Künstler vom Ebertplatz haben sich schon mit einer Aktion beteiligt. Mitte November zogen sie eine symbolische Mauer — ums Rathaus.