Liebe zum Minimalismus: Julia Kotowski, Foto: Aurora Romano

Aaahh Records wiederentdeckt

In Netzmusikkreisen ist Bralitz eigentlich durch die Festivals des Aaahh-Netlabels bekannt. Im alten Bahnhof des kleinen Orts mitten im Grünen, etwa eine Autostunde von Berlin entfernt, trat auch der kosmopolitische US-Singer-Songwriter Nicolas Falcon häufig auf. Mal mit Band und mal ohne unterwegs, benannte er sich nach vielfach wechselnden Pseudonymen zuletzt nach Bralitz, einem Ort in Brandenburg. Falcons wunderbare Stimme jedenfalls begegnete einem im Um--feld von Aaaah Records schon häufiger, zum Beispiel auf der 2013 veröffentlichten Braaahhlitz-Compilation, einem gemeinsamen Album aller Aaahh-Records-Künstler, das es zum Glück noch im Internet Archive gibt.

 

Nun ist Aaahh Records Geschichte, und auch das Festival fand dieses Jahr nicht mehr statt, doch Falcon hat sich nach Stationen in Mailand, Shanghai und Brüssel erneut in Norditalien eingefunden. Dort ist er weiterhin als Lehrer tätig und nimmt in seiner Freizeit schönen, unprätentiösen, augenzwinkernden Songwriter-Indiepop auf, der sehr von klassischen Stilen wie Gypsy Jazz, Rock’n Roll oder Bossa Nova geprägt ist. 

 

Eng verbunden mit dem verblichenen Aaahh Netlabel ist auch Julia Kotowski, besser bekannt als Entertainment For The Braindead. Mittlerweile hat Julia von Köln nach Berlin rübergemacht und soeben mit »SUN« ihr neues Album veröffentlicht. Bereits der Opener »The Sound« ist ein ziemlicher Hit. Trotz ihres immer noch markanten, durch mehrstimmigen Gesang, Field Recordings, Elektroniksprengel und versponnene Arrangements geprägten Sounds bleibt ihre Liebe zum Minimalismus. Hier wirkt, ähnlich wie bei Bralitz, trotz Emotionalität nichts zu dick aufgetragen oder gar prätentiös. »Eingespielt und aufgenommen wurde alles — von Gesang und Gitarre über Klarinette und Balalaika bis hin zu Percussion und Synth — von mir mit einfachem Laptop-Setup in meinem Zimmer«, erzählt mir Julia. 

 

»SUN« ist ihre erste Veröffent-lichung in Zusammenarbeit mit einem Musikverlag, Motor Music. Prophylaktisch musste sie dafür zähneknirschend GEMA-Mitglied werden. »Was das Künstlerische angeht, bin ich noch immer überzeugt meiner DIY-Einstellung verbunden, musste mir aber irgendwann eingestehen, dass man sich so halb zwangsläufig professiona-lisieren muss, wenn man nicht möchte, dass die Musik irgendwann als bloßes Hobby keinen Raum mehr findet«, sagt die überzeugte Nutzerin von Creative-Commons-Lizenzen. Ob das weiterhin möglich ist, checkt sie derzeit.

 

Alle Download-Links hier:
superpolar.org/SR12-2017