Bitte, lass da noch was sein!

King Krule ist im Kampf gegen die gesellschaftliche Depression

Wenn man sich den mittlerweile 23jährigen Archy Marshall aka King Krule vor Augen führt, fällt einem meist das Bild von dem kindergesichtigen, rothaarigen Jungen mit der Gitarre und der basstiefen Stimme ein. Dabei ist die Gitarre gar nicht die Waffe seiner Wahl. So ge-konnt er das Rockstar-Image pflegt, steckt in ihm jedoch kein Morrissey.

 

In Internet-Ausschnitten, die Marshall im halb-privatem Rahmen zeigen, wird seine Neigung zu einem ganz anderen Instrument deutlich: die AKAI MPC, der berühmtberüchtigte Sampler. Im Gegensatz zu konventionellen Instrumenten bietet die MPC als Speicher- und Abspielmedium viel eher die Möglichkeit, über Soundschnipsel die Welt zu verstehen. Marshall stellt sich in die Tradition der Beat-Bastler. J. Dilla und andere Stones-Throw-Künstler nennt er als Inspira-tionsquelle, denen gemeinsam ist, dass sie Ideen-reich-tum vor Konsistenz stellen.

 

King Krule macht keinen Hehl aus seiner Verehrung für Oskar Wilde, aber auch Flaubert, das ge-hört zum guten Ton. Dass er aber Marx und Engels ebenso liest, ist da schon weniger bekannt, dafür umso erstaunlicher. Als dialektischer Materialist sammelt er Sounds und poetische Textfragmente. Diese setzt er neu zusammen und er-schafft dabei jedes Mal eine neue Teilmen-ge aus der Welt, in der er aufwächst: Die Pseudonyme, die Marshall neben King Krule benutzt, Zoo Kid, oder die eindeutig hiphoppigeren DJ JD Sports und Edgar the Beatmaker, stellen unterschiedliche Betrachtungswinkel auf die immer selben Themen dar. Es geht um Einsamkeit in der modernen Welt, um Depersonalisierung, um das Heruntergekommensein. Damit stemmt sich Archy Marshall auch gegen den Mainstream, der sich eher das Ende der Welt denn das Ende des Kapitalismus vorstellen kann (nach Mark Fisher). Für King Krule sind die beschriebenen Szenarien Auswüchse einer Welt, die selbst die hartgesottensten Vertreter vereinsamen lässt; in der man sich zurückziehen muss in sein eigenes Reich aus Sounds und Samples, um nicht durchzudrehen. 

 

Im Vereinigten Königreich ist man durch jahrelange neoliberales Auszehrung schon weiter als bei uns. Neben den englischen Klassikern Speed und Ecstasy konsumiert dort die Jugend vor allen Dingen Ketamin. Ein antidepressiv wirkendes Betäubungsmittel, das, wenn man es in ausreichen-der Menge nimmt, in Nahtoderfahrungen treibt. King Krules Musik ist vieles: Nahtoderfahrungen, luzide Großstadtträume und poetische Klangsammlungen — immer in der Hoffnung, dass da draußen noch was anderes sei.