Die 50-Stunden-Performance »materials II« von Philine Herlein, Linda Nadji, Bettina Nampé, Jari Ortwig bei Bruch & Dallas, September 2017 | ?Foto: Martin Plüddemann

Alles Gute kommt von unten

Unterm Beton ist es laut und bunt.

Die Kunsträume am Ebertplatz im Porträt

Labor, Bruch&Dallas, Gold+Beton, Tiefgarage. Das klingt nach Untergrund, roh und grau und etwas heruntergekommen — aber auch nach Experiment und der Suche nach dem Schönen im Hässlichen. In der aktuellen Diskussion über den Ebertplatz wird viel über sie gesprochen: die Kunsträume in der Passage. Doch was passiert dort genau, wer sind die Macher, die die Ebertplatz-Passage seit mittlerweile über zehn Jahren beleuchten und beleben?

 

Das Labor wurde 2005 von den Künstlern Gerd Mies und Michael Nowottny als Atelier bezogen und ist heute ein Ausstellungsraum, der von mehreren KünstlerInnen im Kollektiv organisiert wird. Die ausgestellten KünstlerInnen sind teils etabliert, teils aber auch Laien. Berühmt: ihre »Favela-Bar«. Das Künstlerfest verwandelt die Passage jährlich unter einem anderen Motto in ein Mini-Kunst-Festival mit Installationen, Performances und Konzerten und hat sich damit als inoffizielle Aftershow-Party der Art Cologne etabliert.

 

Gold+Beton wurde 2013 von Meryem Erkus initiiert, die sich selbst als Netzwerkerin beschreibt. Dementsprechend finden hier neben Ausstellungen auch Formate Platz, die kooperativen Charakter haben: Konzerte, Screenings, Performances und Kooperationen mit anderen Kulturschaffenden und Institutionen, zum Beispiel mit dem Kurzfilmfestival Köln oder dem Musiklabel Baumusik.

 

Der Ausstellungsraum Bruch&Dallas wird von einem KünstlerInnen- und KuratorInnen-Team geführt, das sich auf Nachwuchsförderung konzentriert. Pro Jahr finden sieben bis acht Einzel- und Gruppenausstellungen mit jungen Künstlern statt, die zwischen dem Abschluss an der Akademie und ersten Galerieausstellungen stehen. Zu jeder Ausstellung erscheint eine Edition, die man zu einem erschwinglichen Preis erwerben kann. In Erinnerung geblieben sind starke ortsspezifische Installationen, wie die Wandarbeit von Lars Breuer und Sebastian Freytag, die die unverkennbare orange Fliesenwand aus dem U-Bahnhof Ebertplatz als Fotografie im gesamten Ausstellungsraum fortgesetzt hat. Der Transitraum der Bahnstation übersetzt in den temporären Ausstellungsraum, der genauso in der Zwischenzeit stehengeblieben ist wie ein Reisender beim Umsteigen.

 

In der Tiefgarage hat sich Anfang 2015 die umtriebige Kunsthistorikerin Maria Wildeis niedergelassen, die auch die Gründerin der alternativen Kunstmesse Far-Off ist. Am Ebertplatz zeigt sie ein gattungsübergreifendes Programm, das den Begriff »Kunst« sehr dehnbar behandelt und immer wieder in Verbindung bringt mit Musik, Lesungen, Sound. Die beiden kleinen Räume sind oft bis zum Platzen gefüllt mit architektonischen Konstruktionen oder Klanginstallationen aus dem Bereich Noise und Neuer Musik. Aktuell zeigt dort die Künstlerin Tina Tonagel eine Installation, in der selbst spielende Triangeln zum Einsatz kommen und den Ausstellungsraum in einen Klangraum verwandeln.

 

Die Dichte und Vielfalt des Programms, das die OrganisatorInnen hier in den letzten Jahren entwickelt haben und ehrenamtlich mit Fördermitteln des Kulturamts sowie von Sponsoren und Kulturstiftungen umsetzen, ist nicht nur für Köln einzigartig und hat den Kunstort »Ebertplatz« über die Stadtgrenzen hinaus bekannt gemacht. Unter den Besuchern befinden sich neben internationalen Gästen KünstlerInnen, GaleristInnen und KuratorInnen aus Köln, dem Rheinland und ganz Deutschland.

 

Die Ebertplatz-Passage zu beleben, ist ein Anliegen der OrganisatorInnen, dennoch geht es in erster Linie darum, Kunst zu zeigen und zu vermitteln. Deshalb freuen sie sich auch abseits der Veranstaltungen über neugieriges Laufpublikum, das spontan aufmerksam wird, wie Martin Plüddemann und Elisabeth Windisch von Bruch&Dallas erzählen. Dass man die Räume und ihr Programm außerhalb der Kunst- und Kulturszene nicht genug wahrnimmt, rumort aber als Vorwurf durch alle Gespräche über den Ebertplatz. Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass experimentelle Formate und künstlerischer Nachwuchs keinen Mainstream produzieren — und dass es eine solche Basis geben muss, damit Kultur und Kunst wachsen können. »Die Ambivalenz ist eine Konstante in der künstlerischen Arbeit am Ebertplatz und erzeugt eine spezielle Dynamik hier«, erklärt Maria Wildeis, »die Unsicherheit, die es mit sich bringt, keine etablierte Institution zu sein, steht den Freiheiten gegenüber, die man hier hat«.

 

Fest steht: Die vier Kunsträume haben den Ebertplatz zu einem besonderen Ort für Kunst im öffentlichen Raum gemacht. Sie kompensieren eine Lücke, die die Stadt 2002 mit dem Abriss der Josef-Haubrich-Kunsthalle in die lokale Kunstszene riss und die sich nun mit der Kürzung des Etats der Akademie der Künste der Welt erneut zu vergrößern droht. Wie auch immer es mit dem Ebertplatz und mit der Kunst in Köln weitergeht, einfach »kennt keiner« sagen und abschaffen, gilt nicht!

 

Aktuell in den Kunsträumen:

 

Bruch & Dallas: Christoph Matthes, EÖ 19.1., bis 24.2.

 

Gold+Beton: Mirjam Baker, bis 5.1.,

 

Luis Neuenhofer, EÖ 19.1., bis 18.2.

 

Labor: Wolfgang Laubersheimer, 15.1.–21.1.

 

Tiefgarage: Tina Tonagel,

 

Zeit für Ellerton, bis 14.1.

 

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