Merz-Infarkt

Unruhe am Flughafen — Lärm, Ausbaupläne und demnächst womöglich Privatisierung

Der Flughafen Köln/Bonn steht in einem Naturschutzgebiet, der Wahner Heide. Das hinderte Generationen von Politikern nicht daran, ihn immer weiter auszubauen. Schon in den 50er Jahren gab es Proteste gegen die Zerstörung der Natur, vor allem aber gegen den zunehmenden Fluglärm. Im Vergleich zu heute waren die damaligen Zustände für Mensch und Natur jedoch idyllisch.

 

Damit ist es lange vorbei, seit der Flughafen als »Wirtschaftsmotor der Region« betrieben wird. Immer mehr Fracht- und Passagierflüge, neue Gebäude und Landebahnen, Firmenansiedlungen. Bis September dieses Jahres starteten mehr als 4,7 Mio. Passagiere von hier — eine Steigerung um 4,2 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr.

 

Der Wirtschaftsmotor brummt. So sehr, dass er vielen Menschen zu laut ist. Mehrere Initiativen protestieren gegen den nächtlichen Lärm — mitunter in kurioser Konkurrenz: In Marienburg wollen Bürger, dass die Passagier- und Frachtmaschinen länger über Porz fliegen — damit es bei ihnen ruhiger bleibt.

 

SPD und CDU beteuern dennoch unablässig, wie hoch die Akzeptanz des Flughafens in der Bevölkerung sei. Unterstützung von ihnen können die Initiativen kaum erwarten. Die Flieger würden demnächst dank modernster Technik leiser, sagt man ihnen. Oder der Flughafen spendiert noch ein paar Lärmschutzfenster. Auch die Grünen sind — zumal als Bündnispartner der CDU im Rat — zurückhaltend. Wiewohl sie ein Nachtflugverbot für Transportmaschinen fordern. Das aber scheitert seit Jahrzehnten an den Gesetzgebern in Bund und Land. Wer den Flugverkehr einschränken will, steht im Ruf, Arbeitsplätze zu gefährden.

 

Den wirtschaftlichen Aufschwung reklamiert Michael Garvens für sich, seit 2002 Chef des Airports. Doch nun sieht er sich Vorwürfen ausgesetzt. Nicht, weil er den Flughafen weiter ausbauen will. Vielmehr gab es anonyme Verdächtigungen, dass ausgerechnet Garvens dem Flughafen wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe. Am 10. November wurde Garvens vom Aufsichtsrat beurlaubt. Karl Bodewig (SPD), bis vor kurzem Vorsitzender des Aufsichtsrats, leitete interne Untersuchungen gegen den Airport-Chef ein. Belege für die Vorwürfe gibt es keine; ein Gutachten von Wirtschaftsprüfern ist noch unter Verschluss. 

 

Für Aufregung sorgte, dass NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am 17. November, während der Untersuchungen gegen Garvens, ankündigte, einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden wählen zu lassen: Friedrich Merz.

 

Der CDU-Politiker steht bislang für Privatisierungspolitik. Zudem vermutet mancher, sein vielfältiges berufliches Engagement könnten mit den Interessen des Flughafens kollidieren. Die Kölner SPD-Fraktion scheiterte mit dem Antrag, die Stadt Köln — wie Land und Bund mit gut 30 Prozent Gesellschafter der Flughafen-GmbH —, solle ihre Aufsichtsräte anweisen, gegen Merz zu stimmen. CDU und Grüne setzen sich durch: Merz müsse sämtliche Compliance-Regelungen einhalten und Interessenkonflikte ausschließen können. Die Grünen, anders als CDU und SPD nicht im Aufsichtsrat vertreten, werten es als Erfolg, die CDU darauf verpflichtet zu haben. Ministerpräsident Laschet ließ zudem vernehmen, keine Privatisierung vorantreiben zu wollen. Auch Garvens gilt nicht als Privatisierer. Die SPD traut solchen Bekenntnissen nicht. Für SPD-Fraktionschef Martin Börschel vertritt Merz Firmen, die »landläufig als Heuschrecken bezeichnet
werden«.

 

Am 29. November konnte -Garvens wieder die Geschäfte übernehmen — per Einstweiliger Verfügung. Der Aufsichtsrat hatte mehrheitlich nichts dagegen. Zudem wurde Friedrich Merz im zweiten Anlauf am 11. Dezember gewählt. Laschet wollte Merz auch, weil der als »international bestens vernetzt« gilt. Der Wirtschaftsmotor wird also weiter brummen. Aber die Misstöne sind nicht zu überhören.