Besser oben ohne? CDU und FDP wollen die Stadtbahn unter die Erde bringen, Foto: Dörthe Boxberg

Erhöhter Förderbedarf

Im neuen Jahr wird die Ost-West-Achse der Stadtbahn geplant. Es soll schnell gehen — doch bislang herrscht nur Ratlosigkeit

Gute Vorsätze hat auch die Stadt. Zum Jahresende geht sie Dinge an, die seit Jahren liegengeblieben sind. Eines der größten Bauprojekte der nächsten Jahrzehnte steht an, schon wieder ein »Jahrhundertprojekt«: die Neugestaltung der Ost-West-Achse der Stadtbahn. Sie soll zwischen Heumarkt und Aachener Weiher die Kapazität der überlasteten Bahnen auf der Aachener Straße um mindestens 50 Prozent steigern. Schon im Februar soll eine Bürgerbeteiligung beginnen. OB Henriette Reker betont, dass man es mit der Beteiligung »ernst meine«. Nach dem Archiveinsturz 2009 mit zwei Toten ist ein U-Bahn-Bau ein »sensibles Thema«, wie Verkehrsdezernentin Andrea Blome sagt. Wie die Beteiligung aussehen wird, ist aber noch unklar. Bereits im Juni soll ein Entwurf zum Umbau der Ost-West-Achse feststehen, dem der Stadtrat dann zustimmen kann. Bevor sich der Nutzen des Projekts zeigen kann, werden aber Baustellen den Alltag zwischen Heumarkt und Ringen über Jahre hinweg massiv einschränken — falls alles gut geht. 

 

Vor einem Jahr hatte das Verkehrsdezernat unter der neuen Chefin Andrea Blome eine interne Untersuchung vorgelegt. Ergebnis dieser Machbarkeitsstudie: Machbar ist vieles. Aber ist es auch finanzierbar? Die Ingenieurgesellschaft Spiekermann aus Düsseldorf hatte daraufhin fünf Varianten auf ihren Nutzen-Kosten-Faktor untersucht. Der Nutzen muss die Kosten übersteigen, um für ein Verkehrsprojekt Fördergelder von Bund und Land zu bekommen. Während die Ost-West-Achse in NRW als das derzeit bedeutendste ÖPNV-Projekt gehandelt wird, konkurriert Köln auf Bundesebene mit anderen Großprojekten, etwa in München oder Hamburg. Ohne Zuschüsse aus beiden Fördertöpfen, die zusammen 90 Prozent der Kosten decken sollen, wird es keine neue Ost-West-Achse geben. Nur eine der fünf Varianten sieht dabei eine oberirdische Stadtbahn vor — die anderen vier sind U-Bahn-Strecken. Laut Studie könnten die oberirdische Bahnführung für 250 Mio. Euro als auch die zwei kürzeren U-Bahn-Strecken gefördert werden: ein Tunnel vom Heumarkt bis zum Neumarkt (300 Mio. Euro) und ein Tunnel vom Neumarkt bis zum Rudolfplatz (560 Mio. Euro). Die zwei längeren U-Bahn-Varianten fielen durch, die Kosten wären höher als der volkswirtschaftliche Nutzen. Im Rathaus hatte man schon Sorge, dass keine Variante förderfähig sein könnte.

 

In der Politik beginnt nun das Taktieren. Neben der FDP hat sich nur die CDU schon auf eine neue U-Bahn festgelegt. Dirk Michel, verkehrspolitischer Sprecher der Ratsfraktion, will sogar prüfen lassen, ob der Nutzen-Kosten-Faktor auch positiv wäre, wenn die Untertunnelung bis zur Eisenbahnbrücke an der Moltkestraße reiche. »Der Verknüpfungspunkt wäre verkehrstechnisch ideal«, sagt Michel, der sich an der Moltkestraße auch eine S-Bahn-Anbindung vorstellen könnte. »Unterirdische Lösungen schaffen Platz. Der ist wichtig für alle Verkehrsteilnehmer.« 

 

Die Gegner eines U-Bahn-Tunnels fürchten, dass eine Verlegung der Stadtbahn unter die Erde dazu führt, dass die bisherige Bahntrasse in der Straßenmitte für zusätzliche Autospuren genutzt werden könnte. Für Michael Weisenstein von der Linken hat sich die Debatte ohnehin zu stark auf einen U-Bahn-Bau versteift — er verweist nicht zuletzt auf die Bauzeit von mindestens zehn Jahren. Weisenstein begreift die U-Bahn-Pläne als »Fokussierung auf innerstädtische Prestigeprojekte«. Andere wichtige ÖPNV-Maßnahmen, vor allem im Rechtsrheinischen, würden sich dadurch um Jahre verzögern. Auch die Grünen liebäugeln mit einer oberirdischen Streckenführung. Ein Tunnel ist für Lino Hammer, den verkehrspolitischen Sprecher, »klassisches Individualverkehr-Denken: Der Autoverkehr soll fließen, und die Stadtbahn wird drumherum geplant. Es muss aber andersherum sein.« Für ihn zeigt sich in den bisherigen Plänen
 »zu wenig Vision und zu viel Status quo.« 

 

Wenn die Grünen aber eine oberirdische Strecke und die CDU einen Tunnel will, könnte die Ost-West-Achse zur Zerreißprobe für das schwarz-grüne Ratsbündnis werden. In der Koalition polarisiert die Verkehrspolitik ohnehin, etwa beim autofreien Ausbau des Niehler Gürtels, der jetzt beschlossen worden ist. Nutzt die SPD dies aus, um ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken für eine oberirdische Ost-West-Achse zu schmieden? Noch sind die Sozialdemokraten unentschieden. Für die SPD sei entscheidend, die Kapazitäten zu steigern, sagt ihr verkehrspolitischer Sprecher Andreas Pöttgen: »Das sehe ich bei einem Tunnel bis zum Rudolfplatz nicht.« Nur ein langer Tunnel ermögliche das. 

 

Einigkeit besteht derzeit nur darin, dass die Ost-West-Achse kommen muss, denn die Stadtbahnen sind völlig überlastet. Einigkeit herrscht auch, dass es eine breite Mehrheit für dieses Großprojekt geben muss. Die aber ist derzeit nicht in Sicht.