Fröhliche Menschen, düstere Filme: Carsten Baiersdörfer, Alexander Beneke, Foto: Dörthe Boxberg

Schöne Schauerromantik

Das Kölner Heimvideo-Label »Bildstörung« bringt die besten DVDs und Blu-rays in Deutschland heraus

Seit fast genau zehn Jahren machen Alexander Beneke und Carsten Baiersdörfer das Heimvideo-Label Bildstörung, mittlerweile komplett vom Kölner Hansaring aus. Die beiden setzten von Anfang an auf eine Nische: DVDs und später auch Blu-rays, die von der Bildqualität, dem Bonusmaterial und der Verpackung herausstechen, die zeigen, dass hier mit Liebe und Sorgfalt ein Film für die bestmögliche Präsentation in den eigenen vier Wänden aufgearbeitet wurde. Vorbild waren Firmen wie Criterion in den USA oder Eureka in Großbritannien. Aber Bildstörung hat seine treue Fangemeinde natürlich vor allem der Auswahl der Filme zu verdanken. Die Frage, was ihre Filme ausmacht, können sie gar nicht beantworten: »So etwas wie eine Handschrift sieht man eher von außen, wir können sie nicht beschreiben«, meint Beneke. Worauf die beiden sich dann aber doch einigen können ist, dass sie Filme mögen, die zwischen alle Stühle fallen, die sich Genregrenzen widersetzen.

 

Unter anderem haben sie in den letzten zehn Jahren Werke herausgebracht von Alejandro Jodorowsky, Walerian Borowczyk und Elio Petri. Beim Blick von außen fällt auf: Ein Hang zur schwarzen Romantik zeichnet verschiedene Filme von Bildstörung aus. So sehr sich Beneke und Baiersdörfer in ihrem Katalog fernhalten von wohlanständigem Arthouse-Kino, so wenig findet man bei ihnen aber auch gradlinige Horror- oder Exploitationware.

 

Filmische Schauerromantik bietet auch ihre aktuelle Veröffentlichung: Robert Sigls »Laurin« aus dem Jahr 1988. Eine junge Frau eilt in einer stürmischen Gewitternacht über einen Friedhof. Sie wird Zeugin des Mordes an einem kleinen Jungen und verunglückt auf der Flucht vor dem Mörder. Hauptfigur ist fortan ihre neunjährige Tochter Laurin. Da ihr Vater zur See fährt, wird das Mädchen von ihrer Großmutter aufgezogen. Eines Tages kommt der Sohn des tyrannischen Dorfpfarrers vom Militärdienst zurück und wird Lehrer an Laurins Dorfschule. Er verhält sich merkwürdig, besonders gegenüber ihrem bestem Freund, dem kränklichen Jungen Stefan. Die Auflösung des Mordfalls offenbart psychische Abgründe von einer Tragik, wie man sie im deutschen Kino seit der Weimarer Zeit nur selten gesehen hat.

 

Dass »Laurin« von Beginn an in einer seltsamen Parallelwelt zu spielen scheint, die weniger mit der Realität des 19. Jahrhunderts zu tun hat als mit der eines Märchens, liegt auch am Budget. Um Kosten zu sparen und die Auswertungsmöglichkeiten zu erweitern, wurde in Ungarn auf Englisch gedreht, obwohl Namen und Handlung eher einen Ort irgendwo an der Nordsee vermuten lassen. Die starken farbigen Lichtakzente erinnern zudem eher an italienisches Horrorkino als an den protestantischen Norden.

 

Als der Film 1988 in Deutschland herauskam, waren die Reaktionen sehr gemischt. Aus den Kinos verschwand »Laurin« rasch. Siegl ging danach zurück zu seinem Job als Nachtwächter in einem Parkhaus, erst sechs Jahre später konnte er wieder als Regisseur arbeiten und einen TV-Weihnachtsmehrteiler drehen.

 

Wie »Laurin« zu Bildstörung kam, war eher ungewöhnlich: »Da gab es wenig Recherchearbeit«, erklärt Beneke. »Wir hatten über einen Redakteur Kontakt zu Robert. Für uns war es auch einfach, weil die Rechte bei ihm selber lagen. Das ist ja eher ungewöhnlich.« In der Tat scheitern Veröffentlichungen nicht nur daran, dass Rechteinhaber zu viel Geld verlangen, sondern dass sie erst gar nicht ausfindig gemacht werden können. »Es kann auch sein, dass die Rechteinhaber gar nicht wissen, dass sie sie besitzen«, erklärt Baiersdörfer. »Das kann passieren, wenn die Filme Teil von irgendwelchen Paketen sind oder von Insolvenzmassen, vielleicht liegen sie bei einer Firma, die gar nichts mit Filmen zu tun hat. Es gibt auch Sender, die Titel gar nicht in ihre Kataloge aufgenommen haben, weil sie der Meinung sind, dass sie damit kein Geld machen können.«

 

Genauso wichtig wie die Rechtefrage ist, ob es überhaupt noch eine halbwegs gut erhaltene Kopie des Films aufzufinden ist. Bei »Laurin« war das Negativ von Robert Sigl selber in München eingelagert worden. Bildstörung hat es erst waschen, dann scannen lassen, um die Rohdaten digital bearbeiten zu können. Unter der Aufsicht von Siegl wurde eine neue Farbbestimmung gemacht. Für Baiersdörfer ist das der Idealfall, wenn der Regisseur selber die Farbgestaltung und die Restauration überwacht. Ziel sollte es sein, so Beneke, dass der Film am Ende aussieht »wie eine frisch gezogene Kopie zum Kinostart«.

 

Doch was ist, wenn der Regisseur selber im Nachhinein seinen Film »verbessern« will? Beneke erzählt, dass der belgische Regisseur Harry Kümel einige Day-for-Night-Aufnahmen, also Tageslicht-Aufnahmen, die durch Tricks wie Nachtaufnahmen wirken sollen, von blau auf schwarz korrigiert hat für die Bildstörung-DVD seines Vampirfilms »Blut an den Lippen« (1971). Für Beneke ist das ein Grenzfall. »Das war damals, als der Film gedreht wurde, technisch nicht möglich. Ich finde schon, dass man das machen kann. Anders ist es, wenn teilweise bei Hollywoodfilmen komplett andere Farbstimmungen hergestellt werden.« »Vielleicht gibt es kein finales Filmwerk, wie man sich das immer so wünscht«, ergänzt Baiersdörfer, es gebe immer nur unterschiedliche Interpretationen.

 

Eigentlich müssten solche Diskussionen in Stiftungen und Archiven geführt werden, sind die beiden sich einig. Wissenschaftlich strenge Maßstäbe könnten privatwirtschaftliche Firmen nicht anlegen, dafür fehlten bei allem Enthusiasmus Zeit, Geld und Knowhow. Auf die Frage, ob sie überhaupt von ihrem Herzensprojekt leben können, antwortet Baiersdörfer lachend mit zwei Worten: »Hauptaufgabe, Nebenverdienst.«

 

Infos: bildstoerung.tv