Gammler in Schwabing

Der Filmclub 813 zeigt das Gesamtwerk von May Spils und Werner Enke

»Komm, ich schmier ein paar Brote und Du holst Getränke/ Und dann schauen wir die Filme von Werner Enke«, reimte die Band Liga der Gewöhnlichen Gentlemen 2014 zu sommerlichem Soul. Im Gestus von Freizeit-Gemütlichkeit holten sie den Vordenker der popkulturell aufgeladenen Antriebslosigkeit dorthin zurück, wo er hingehört: In den Kreis subkultureller Subversion ohne Programm, in die Welt der kleinen Konzerte, billigen Kneipen und pathosfreier Widerständigkeit — ein Milieu, in dem der Geist von Schwabing überwintert hat.

 

Wer Werner Enke sagt, muss auch May Spils sagen — und als Brüder im Geiste Klaus Lemke und Marran Gosov mitdenken. Im Schwabing der 60er Jahre trank man Espresso in Eisdielen, spielte Flipper, ging nachts ins legendäre »Türkendolch«-Kino und erklärte sich, enthusiasmiert von Howard Hawks und Jean-Luc Godard, selbst zu Filmemachern. So entstanden mit dem Hit »Zur Sache, Schätzchen« (1967) und »Nicht fummeln, Liebling« (1969) junge Filme, die ihre Stoffe auf der Straße fanden und sich vom Soziologen-Kino in der Nachfolge des Oberhausener Manifests abgrenzten — nicht Junger, sondern Jüngster Deutscher Film.

 

Mit Enke vor und Spils hinter der Kamera fand das neue Schwabinger Freizeitgefühl einen kongenialen Ausdruck: kein Programm, aber jede Menge Lust aufs Nichtstun bezeugen die fünf von 1967 bis 1983 gedrehten Filme. Der Filmclub 813 zeigt sie nun erstmals gesammelt in einer Enke/Spils-Retrospektive von 35mm — eine kleine kuratorische Meisterleistung.

 

Enke spielt stets denselben Charakter: muffelig, antriebsarm und immer einen schnoddrigen Spruch auf den Lippen, ist er ein müder Zaungast des Weltgeschehens — selbst wenn er in »Nicht fummeln, Liebling« mit dem Weltgeist in Berührung kommt, als er sich in einen Kaufhaus-Anschlag verstrickt — ein melancholisch in Komik aufgelöstes Echo der tatsächlichen  Frankfurter Kaufhausbrände. Der daran beteiligte -Andreas Baader bewegte sich im selben Münchner Milieu wie Enke.

 

»Der alte Schwung ist hin« oder  »Ich habe meine Zukunft hinter mir« — mit solchen Sprüchen eroberte Enke das Publikum. Ein wenig lasten sie auch auf den späten, nur selten gezeigten Enke-Filmen, »Wehe, wenn Schwarzenbeck kommt« (1979) und »Mit mir nicht, du Knallkopf« (1983), in denen der einstige Godard’sche Flanier-Modernismus der Klamotte weicht. Wie Enke darin aber nochmal zum menschlichen Flummi wird, ist sehenswert. Die fehlende Ambition, mit den Erfolgen von »Zur Sache, Schätzchen« und »Nicht fummeln, Liebling« Karriere machen zu wollen, ist sympathisch konsequent.

 

Do 26.1.–So 29.1., Kino 813 in der Brücke. Infos: filmclub-813.de