Nachhaltige Grooves

Der Club Bahnhof Ehrenfeld hat den »Applaus«, den bundesweiten Spielstättenpreis, gewonnen

»Bewegung ist diskursiv, auch Körper drücken eine Politik aus«, das war das Leitmotiv, unter dem Gabriel Riquelme als Historiker an der Uni Köln zu den Tänzen und Partys afrokaribischer Communitys forschte. Seit über sieben Jahren erforscht er Bewegungen auch praktisch: Neben Ricardo Costa und Mankel Brinkmann ist er einer der Programmmacher des 2010 eröffneten Club Bahnhof Ehrenfeld.

 

 

»Unsere Policy ist Nachhaltigkeit, das ist das A und O unserer Club-Philosophie«, sagt Gabriel. Dementsprechend vereint der Club im Programm populäre Partys und das musikalische Credo radikaler Emanzipation. Dass dieser Spagat über Köln hinaus Anerkennung findet und der Club als eine der Spielstätten des Jahres 2017 ausgezeichnet wurde, ist nur folgerichtig. Im Gespräch wollten wir von Gabriel mehr über seinen Anspruch als Clubbetreiber wissen.

 

 

Dass ein Club aus Ehrenfeld den bundesweiten Spielstättenpreis bekommt, passt wie die Faust aufs Auge: hippes Veedel, hipper Club. Aber wie würdet ihr euer Selbstverständnis auf den Punkt bringen?

 


Am Anfang hieß es Alternative Black Music, später haben wir als Slogan Black Atlantic gewählt. Das drückt unser Spektrum ziemlich gut aus, aber es ist immer mit dem Anspruch verbunden, für alle zugänglich zu sein: Wir haben uns von Anfang an auch in der Tradition von selbst verwalteten Kulturzentren gesehen. Mindestens fünfzig Prozent der Veranstaltungen, die bei uns stattfinden, machen wir selbst. Was bei insgesamt 400 im Jahr eine Menge Holz ist.

 

 

Was kann ich mir konkret unter dem Black Atlantic vorstellen?

 


Uns ist es wichtig, Helden zu zeigen, Roy Ayers, Toni Allen, Joe Bataan, die für unser Selbstverständnis ungeheuer wichtig sind und großen Respekt verdient haben. Auf der anderen Seite ist es wichtig, Leute zu featuren, die jetzt gerade was bewegen. Robert Glasper zum Beispiel, der schon sechs Mal bei uns war. Glasper hat mit Yasiin Bey zusammengearbeitet, er sagt, dass Jazz nicht nur ein Sound für Grauhaarige, sondern Tanzmusik ist. Glasper steht für einen Jazz, der alles integrieren kann, er sagt: auch HipHop ist Jazz, auch Trap. Diese Offenheit spiegelt sich in unserem Selbstverständnis als Veranstalter wider. 

 

 

Wie schätzt Du die aktuellen musikalischen Trends ein?

 

Ich habe den Eindruck, es gibt ein mächtige Retrowelle, vor allem im Soul. Man darf nicht vergessen, dass Köln ein Soul-Publikum hat, die Szene ist über Jahrzehnte gewachsen, das geht bis zur Shack-Party in den 80ern zurück. Bei uns im Club ist die Retro-Soul aber schon wieder abgeebbt. Wo wir merken: Oh, da geht gerade ganz viel, das ist die Mischung aus Beats und HipHop einerseits und Jazz und Soul andererseits. Da bildet sich eine neue Grammatik heraus, Flying Lotus als Produzent und Thundercat als Musiker stehen für sie exemplarisch. Da entstehen sehr wilde Sachen, die man nicht mehr auf ein Genre festnageln kann. Das hat natürlich viel mit Youtube und den sozialen Netzwerken zu tun, die einen viel schnelleren Zugang zu allen möglichen Stilen ermöglichen. Man kommuniziert direkt, es gibt keine Zensoren mehr, keine Geschmackstürsteher, keine übermächtigen Labels, die filtern. Das merken wir auch bei den Partys, es gibt immer weniger strenge Sparten-Veranstaltungen, man geht aus, um mit anderen den gemeinsamen Nenner zu feiern und nicht mehr so sehr den eigenen erhabenen Geschmack.

 

 

Ich beobachte aber auch einen Hang zur Innerlichkeit.

 


Es gibt eine Sehnsucht bei vielen Leute nach einer Tiefe in der Musik, nach einem authentischen Gehalt. Ich weiß, das ist ein großes Thema — es hat mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun. In unserer Gesellschaft bricht gerade der Begriff Wahrheit komplett weg, spätestens mit dem aktuellen US-Präsidenten. Jetzt haben wir eine absurde Diskussion über alternative facts. Es geht im Politischen nicht mehr um das Ringen um Wahrheit, sondern nur noch um Standpunkte. Das führt zu immer mehr Zynismus. Die Veröffentlichung der »Panama Papers« hatte doch keinerlei Aufschrei zufolge, man zuckt halt mit den Achseln — die Reichen schotten sich ab und hinterziehen weltweit Steuern, na und? Vor diesem Hintergrund erfüllt Musik ein spezifisches Bedürfnis, etwa nach emotionaler Erfüllung. Von Deep House bis Spiritual Jazz, das ist Musik, die ätherische Momente schafft, in denen man sich ganz auflösen mag.

 

 

Und ihr habt den Anspruch, diese Sounds in den Club zu bringen?

 


Wir suchen kulturelle Nischen, danach, was woanders nicht abgebildet wird. Wir wollen Sachen zum Sprechen bringen — aktuell: Afro-House, Afro-Trap. Dahinter steckt eine ungeheure Dynamik, die wollen wir rüberbringen. Im Betrieb selber gilt: Wir alle arbeiten auf gleicher Augenhöhe, wir wollen keine prekären Arbeitsverhältnisse. Unsere Security arbeitet mit Tarifvertrag. Umgekehrt machen wir auch ganz klar, dass wir eine diskriminierungsfreie Türpolitik wollen. 

 

cbe-cologne.de