Das Feuer in ihr

Brittany Parks, so der bürgerliche Name der noch jungen Künstlerin Sudan Archives, hat eine Superstar-Karriere vor sich

Das Label Stones Throw aus LA erhofft sich, mit der 23-Jährigen Brittany Parks einen ähnlich großen Wurf zu machen wie mit dem Soul-Sänger Mayer Hawthorne. In Hamburg, wo sie neben Düsseldorf und Stuttgart, das erste Mal in Deutschland spielt, ist sie Gast beim renommierten Überjazz-Festival. Schon während des Interviews merkt man, dass Sudan (den Namen gab ihr ihre Mutter, da sie ihren bürgerlichen Namen ablehnte) Großes vorhat. In ihrer amerikanischen Heimat studiert sie zwar noch Musik und betont, dass sie sich auch vorstellen könne als Lehrerin zu arbeiten, doch sie verfolgt einen Masterplan.

Nur mit einer Violine und drei Kleidern im Gepäck ist sie vor drei Jahren aus dem streng christlich-religiösen Elternhaus in Cincinatti geflüchtet, um in LA Karriere zu machen. Sudan Archives spielt natürlich nicht wie David Garrett, sondern eher wie Fiedler arabischer und nordafrikanischer Tradition; dazu klopft sie den Korpus ab, um im Zusammenspiel mit ihrer Loop-Station dann sparsame und konzentrierte Songs zu entwickeln. 

 

 

Dein Gesang scheint durch dein Aufwachsen in einem streng religiösen Haushalt geprägt worden zu sein.

 

Mein Vater ist Pfarrer. Deswegen musste ich zwangsläufig viermal die Woche in die Kirche. Dort ist auch der Ort meiner musikalischen Früherziehung. Die Gospel-Einflüsse haben sich jedoch mittlerweile mit Musik aus anderen Inspirationsquellen vermengt.

 

 

Ansonsten bist Du musikalische Autodidaktin.

 

Das stimmt. Ich habe zwar im Chor gespielt, aber damals nicht gelernt, Musik und Noten zu lesen. Mir wurde auch nie gezeigt, wie man dieses Instrument »richtig« spielt. So habe ich versucht, Gehörtes mit meinen Möglichkeiten nachzuspielen.

 

 

Für klassische Violinisten ist dein Handling jedenfalls recht ungewohnt.

 

Im Schulorchester führte das immer zu Problemen. Ich habe ein grundlegend anderes Verständnis für das Instrument, als es gelehrt wird. Gleichzeitig schaute ich mir an, wer in der -Klassik die Violine nicht traditionell eingesetzt hat. Gerade die Streichersätze eines Strawinskys fand ich sehr beeindruckend. 

 

 

Tatsächlich ist »Klassik« kaum bei Dir zu finden.

 

Man bekommt vielmehr einen R’n’B-Flow und Jazz-Einflüsse vermittelt. Während wir in der Schule nie über Jazz sprachen, hat mich meine Mutter an diese Musik herangeführt. Sie kommt aus der stolzen Jazz-Metropole Detroit. Auch die Liebe zum R’n’B ist familiäre Prägung. Ich wollte immer meiner großen Schwester nacheifern, die großer Fan von Destiny’s Child war.

 

 

Als wären Gospel und Jazz und R’n’B nicht schon genug Referenz, lebt Deine Musik nicht zuletzt aus verschiedenen afrikanischen, meist folkloristischen, Musikrichtungen. Wie kamst du mit diesen Traditionen in Kontakt?

 

Das sind meine afrikanischen Wurzeln. Ich habe ein ursprüngliches Verständnis für Pentatonik, also Fünf-Ton Musik. Ohne es zu wissen, bin ich in eine Traditionslinie der afrikanischen Streicher gestoßen, also von den sudanesischen Fiedlern über ghanaische Hausa-Violinen. Ich fühle eine urtümliche Verbindung zum afrikanischen Kontinent. Einer der wichtigsten Einflüsse in den letzten Jahren ist der kamerunische Musiker Francis Bebey gewesen. Dessen Stücke leben ähnlich wie meine vom reduzierten Instrumentarium.

 

 

Die Resonanz auf Dein Debüt ist äußerst positiv. Bist Du selbst überrascht?

 

Es war Zeit für mehr pentantonische Skalen! Die Leute wollen hypnotisiert werden. Hinzukommt noch die politische Komponente. Jetzt, wo die Situation in der Heimat schwierig wurde für alle nicht-weißen Communitys, werden viele afro-amerikanische Künstlerinnen positiv besprochen. Die Welt will vielleicht unsere Erfahrungen hören.

 

 

Beyoncé und ihre Schwester Solange, Jamila Woods, Kelela — tatsächlich ist da ein erfreulicher Trend zu beobachten.

 

Wir reden hier über das erste Mal in der Geschichte der Popmusik, dass es im Mainstream eine ganze Reihe von starken Afro-Amerikanerinnen gibt. Ich hatte zum Beispiel wenig Bezugspunkte in meinem Leben. Eigentlich gab es nur Erykah Badu, die stolz auf ihre afrikanische Herkunft war. Als ich aufgewachsen bin, gab es niemand, der so aussah wie ich und kein Mädchen, das was Ähnliches machen wollte. Das ändert sich nun hoffentlich, nun da es genügend Vorbilder gibt.

 

 

Habt ihr untereinander Austausch?

 

Nicht wirklich. Bei Jamila oder Kelela weiß ich gar nicht so genau, wo sie herkommen. Aber was uns eint, ist die Erfahrung als afroamerikanisches Mädchen aufzuwachsen; es ist sehr schwierig für alle. »Du siehst gut aus, dafür dass du eine Schwarze bist«, habe ich häufiger zu hören bekommen. Ich glaube, das hat ein ganz eigenes Feuer in uns entfacht.

 

 

Würdest Du Dich denn als Aktivistin bezeichnen?

 

Ich zünde nichts an, ich mache Kunst. Aber klar bin ich eine Aktivistin: sowohl in eigener Sache als auch für die der Community. Ich will zeigen, dass es einen Ausweg aus der vertrackten Lage gibt. Als ich noch in Cincinatti wohnte und dort häufig von der Polizei angehalten wurde, da hätte es mir geholfen, wenn es eine breite, öffentliche Diskussion über Unterdrückung gegeben hätte. Mir hat der »Es könnte besser sein«-Moment gefehlt. Aber das kann man auch erleben, wenn man das Land verlässt und zum Beispiel Europa besucht.

 

 

Wie meinst du das?

 

Es gibt viele Sachen, die woanders besser abzulaufen scheinen. Zum Thema Polizei: In Ghana, wo vor zwei Jahren meine erste Reise überhaupt hinging, sah ich Polizisten, die Händchen hielten. Jetzt auf meiner zweiten Reise, hier in Europa, wirken die Polizisten freundlich. Dass Polizisten lachen oder einem helfen, das kennt man in den USA gar nicht. Und vor allen Dingen nicht als Afro-Amerikanerin.

 

Tonträger: Die Sechs-Track-LP »Sudan Archives« ist bereits auf Stones Throw erschienen. http://stonesthrow.com/sudanarchives