Reif für die Insel

Futur3 inszeniert in »Shit Island« die chauvi­nistischen Strategien westlicher Südseeträume

Der wundersame Aufstieg und umso dramatischere Fall der kleinen Südseeinsel Nauru erscheint geradezu exemplarisch für die Folgen der Kolonialgeschichte und das Dilemma der Globalisierung. Für die Theatermacher von Futur 3 ist das bitterböse Beispiel Nauru zudem Anlass, über westliche Südsee-Projektionen nachzudenken. 

 

Im abgedunkelten Raum, in dem ein altarartiger Tisch mit Südsee-Devotionalien beleuchtet ist, werden von den drei Performern Irene Eichenberger, Stefan H. Kraft und Luzia Schelling Texte aus der europäischen Kolonialgeschichte vorgetragen. Es sind Abenteuer- und Reiseberichte oder romantische Reflektionen von Malern, in denen mit imperialem Duktus und Selbstverständnis die Welt als Ort gesehen wird, den man ganz nach Maßgabe seines Willens und seiner Vorstellung zu gestalten vermag. 

 

Vom hörspielartigen Einstieg in den Abend geht es weiter in den Nebenraum, wo die kleinste Republik der Welt und ihre grotesk anmutende Geschichte präsentiert werden. Riesige aus Vogelkot entstandene Phosphat-Vorräte machten es möglich, dass Nauru eine Zeit lang märchenhafte Reichtümer anhäufte. Heute sind die Rohstoffvorräte größtenteils aufgebraucht, die ausgebeutete Insel ist ein ökologischer Friedhof, der Staat nahezu bankrott, die Bewohner leiden unter Spätfolgen eines ungesunden Lebensstils wie Diabetes. Statt mit erhobenen Zeigefinger auf die Folgen eines dekadenten Schlaraffenland-Szenarios zu verweisen, deckt das Stück auf, wie unsere Projektionen chauvinistische Mechanismen bedienen. Der ganze Abend kommt ohne »echte« Bilder von Nauru aus. Der Zuschauer muss sich mit westlichen Projektionen begnügen. So wird die Insel wie »Lummerland« im Puppenspiel mit Hilfe von Plastikplane, Kiesel, Grünzeug und einer Spielzeug-Rennbahn präsentiert. Auf einem Beamer, dessen Bilder an die Wand projiziert werden, zeichnet und vermisst André Erlen die Insel. Ihre von den Performern gespielten Bewohner zeigen sich im Zerrbild von gekrümmten Plastikscheiben. Selbst der Diavortrag zweier selbstgerechter Touristinnen über das zerstörte Paradies verzichtet auf wirkliche Bilder. Die Versuche, Nauru und seine Menschen zu kategorisieren und zu vermessen, werden mit amüsanten Theater-Tricks ad absurdum geführt.

 

Das echte Nauru ist derweil im 21. Jahrhundert angekommen: als Platz für Offshorebanking und Auffanglagern für Tausende von Flüchtlingen, die Australien in das einstige Südseeparadies ausgelagert hat.