Die nächste Blamage

Der Akademie der Künste der Welt, gegründet als kulturpo­litisches ­Aushängeschild der Stadt, ist durch die jüngst vom Rat beschlossene ­Etatkürzung ein eigentlich über­flüssiges Spar- und Kürzungsdiktat aufgenötigt worden. Politik und ­Kultur kommen in Köln mal wieder nicht zu­sammen

Als nach der Jahrtausendwende die Kunstszene aus Köln nach Berlin abwanderte, plante man in Köln eine Gegenoffensive.  Eine Art rheinisches Haus der Kulturen der Welt sollte entstehen, so die Idee, die auch auf den Schriftsteller Navid Kermani zurückgeht. 2009 entstand dann ein erster Entwurf für eine Akademie der Künste der Welt, für die der Rat ab 2012 unter Federführung der SPD eine Million Euro jährlich bereitstellte. Seit wenigen Wochen ist jedoch klar: Die Arbeit der Akademie der Künste der Welt ist durch eine Etatkürzung stark gefährdet.

 

Schon im vergangenen Jahr wurde der städtische Zuschuss zur Akademie von einer Million auf 700.000 Euro gekürzt. Das aber, so Akademie-Geschäftsführerin Elke Moltrecht, sei schon lange geplant gewesen, um Rücklagen abzubauen. Die böse Überraschung erfuhr Elke Moltrecht dann im Oktober ausgerechnet an einem Freitag den 13. Von 2018 bis 2021 muss die Akademie mit 600.000 Euro pro Jahr von der Stadt Köln auskommen. Ursprünglich habe es sowohl vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Akademie, Klaus Schäfer (SPD), und der Stadtkämmerin Gabriele Klug noch eine Zusage für den ursprünglichen Zuschuss von einer Million gegeben. Die letzten verbliebenen Rücklagen der Akademie können die Kürzungen nicht abfedern. »Im kommenden Jahr muss ich das Stipendiatenprogramm und das Förderprogramm streichen, und habe nicht mal 200.000 Euro Produktionsmittel fürs ganze Jahr«, erklärt Moltrecht.

 

2018 wird für die Akademie gleich in mehrfacher Hinsicht ein Jahr des Umbruchs. Erst im Frühsommer wurde bekannt, dass die künstlerische Leiterin Ekaterina Degot vorzeitig zum Steirischen Herbst nach Graz wechselt. Ihr Vertrag lief ursprünglich bis Ende März 2018, danach hätte ihre Nachfolgerin das Herbstprogramm vorbereiten sollen. Mittlerweile steht fest, wer die neue künstlerische Leiterin sein wird: die indische Filmemacherin Madhusree Dutta. Diese hatte ihre Zusage allerdings noch auf Grundlage des eigentlich geplanten Budgets gemacht. Dass dieses nur Wochen später anders aussieht als von Geschäftsführerin Elke Moltrecht erwartet, kann man sich eigentlich nur durch fehlende Kommunikation zwischen der Politik
und der Institution erklären. Sie hängt wiederum mit der außergewöhnlichen Konstruktion der Finanzierung zusammen. Der städtische Anteil von einer Million Euro stammt aus der sogenannten Kulturförderabgabe, der Kölner Version der »Bettensteuer«. Über diese sechs Millionen Euro entscheidet der Finanzausschuss und nicht wie eigentlich üblich der Kulturausschuss. Die Akademie der Künste der Welt, mit der Stadt als einzige Gesellschafterin, ist damit eine  Kultureinrichtung, die nicht der Kulturverwaltung untersteht. 

 

Im Oktober wurde auf Initiative des Finanzausschusses ein Antrag zur Kürzung des Akademie-Budgets eingebracht, der im Rat mit den Stimmen von CDU, FDP, Grünen und der Ratsgruppe Gut beschlossen wurde. CDU-Kulturpolitiker Ralph Elster bezeichnete die Arbeit der Akademie im Deutschlandfunk Kultur als »zu verkopft und zu verquast« und kritisierte die Personalkosten der Akademie als zu hoch. Thor Zimmermann (GUT) unterstreicht das Recht des Rats, über den Etat bestimmen zu dürfen. »Die Akademie muss sich jedes Jahr ganz normal im Kampf um die Mittel behaupten.« Er hat im Rat allerdings auf die schlechte Kommunikation gegenüber der Akademie und die fatale Signalwirkung der Kürzung aufmerksam gemacht. Am Ende aber habe seine Gruppe den Haushalt nicht komplett ablehnen wollen, weil sich Forderungen seiner Ratsgruppe wie eine unkomplizierte Förderung von Mikrofestivals und Lesungen darin wiederfinden.  

 

Elke Moltrecht setzt diesen Vorwürfen die festgeschriebenen Aufgaben der Akademie der Künste der Welt entgegen. Als international ausgerichtete Institution solle sie einen außereuropäischen Blick nach Köln bringen. Das bedeute automatisch hohe Reisekosten für eingeladene Künstler und für Kooperationen. Vor allem aber bestehen die halbjährigen Pluriversalen zum Großteil aus selbst konzipierten Produktionen, die passend zum jeweiligen Thema entwickelt werden. Diese eigene Themensetzung mache die Besonderheit der Akademie aus. Wer über die Kunst fehlende politische Diskurse anregen will, müsse auch mit Kosten für Recherche und Konzeption rechnen, so Moltrecht. Diese machen dann auch etwa ein Drittel der Akademie-Ausgaben aus. 

 

Neben den Kosten wirft die Kölner Politik der Akademie am ehesten fehlende Sichtbarkeit und mangelnde Vernetzung in der Kulturszene vor. Bei einem Blick auf die Kooperationspartner der Pluriversalen der vergangenen Jahre kann der letztere Vorwurf kaum ernst gemeint sein. Denn als nomadische Institution ist die Akademie so konstruiert, dass sie zur Zusammenarbeit mit allen möglichen Akteuren in Köln verpflichtet ist. Dabei fließt auch Geld in die freie Szene Köln. Geschäftsführerin Elke Moltrecht beziffert diese Summe mit 100.000 Euro im Jahr. Bei wechselnden Veranstaltungsorten kann es aber passieren, dass Besucher nicht bemerken, dass sie in einer Akademie-Veranstaltung sind. Eine mögliche Lösung sollen zusätzliche Gesprächsrunden vor oder nach den Aufführung sein. Dagegen wird die oft komplexe, gehobene Sprache in den Programmheften auch in der Akademie als ein Kritikpunkt angenommen. Außerdem steht die Institution, die Diskurse aus der Welt nach Köln bringen soll, notgedrungen auch vor einem Sprachproblem. Einige Diskussionen und Vorträge können nur in englischer Sprache stattfinden. Eine teure Simultanübersetzung ist bis jetzt nicht immer möglich gewesen.

 

Einmalig wird er Kürzungsvorgang durch die mangelnde Kommunikation. Dabei gibt es genau dafür einen Aufsichtsrat der Akademie, in dem ausschließlich Kommunalpolitiker sitzen. »Das ist von der Diskussion und vom Verfahren her nicht gut gelaufen«, bestätigt Aufsichtsratsmitglied Brigitta von Bülow, die für die Grünen im Kultur- und im Finanzausschuss sitzt. Sie ist bemüht, in der Etatkürzung einen Erfolg zu erkennen: »Es gab auch Stimmen, die die Akademie auf null setzen wollten.« Auf diese Weise sei wenigstens der Erhalt der Akademie gesichert. Aus CDU und FDP sind Stimmen zu hören, nach denen sich die Akademie 2018 beweisen müsse. 

 

Madhusree Dutta wird im kommenden Jahr trotz des geringeren Budgets von Mumbai nach Köln kommen. Allerdings wird sie nur einen Einjahresvertrag unterschreiben. Das liege auch daran, so Elke Moltrecht, dass sie den Erhalt der Akademie mit gekürztem Budget, aber ohne Rücklagen in der bestehenden Art nicht gewährleisten könne. Die Vorbereitung des Programms für die kommende Pluriversale im April läuft schleppend, und mit jeder Woche wird es schwieriger, Künstler und Gäste einzuladen. »Ich war zu diesem Zeitpunkt in den vorherigen Jahren dabei, die Moderatoren anzufragen — aber keine Künstler mehr«, erklärt die kuratorische Projektassistentin Nora Wiedenhöft. Im Kuratorenteam flüchtet man sich deshalb in Galgenhumor: »Wir werden nicht mehr so viel Programm machen können und das wird man merken. Auf der anderen Seite beschweren sich eh viele, dass wir zu viel Programm machen, und sie nicht alles sehen können.«