Corinna Belz, Peter Handke

Vertrauen statt Komplizenschaft

Die Kölnerin Corinna Belz macht Doku­mentarfilme, die konzentriert von

Kunst und ihrer Produktion erzählen

»Wir fahren jetzt zu dem Bunker, in dem ich im Krieg oft gewesen bin«, erklärt Hans-Peter Feldmann am Steuer sitzend. Ein paar Augenblicke später stoppt er den Wagen, räuspert sich: »Ne, das ist keine gute Idee«. Die Szene steht für sich. Sie kommt wenige Minuten nach dem Beginn von »Hans-Peter Feldmann — Kunst keine Kunst«, Corinna Belz’ Dokumentarfilm über den Düsseldorfer Konzeptkünstler. Zuvor hat man den 77-Jährigen gesehen, wie er mit einem Brett einem Metallzaun im Vorbeigehen Musik entlockt, wie er einen ausgestopften Raben entstaubt und wie er Verpackungsmaterial zusammenfaltet. 

 

Spätestens nach der Szene im Auto ist klar: Dies ist kein konventionelles Künstlerporträt. Um die Biografie Feldmanns geht es nicht, Interviews mit Weggefährten oder Experten gibt es nicht, er selber sagt im Film auch nur wenige Sätze. Stattdessen öffnet und schließt er Schubladen mit Arbeitsmaterialien, zerreißt Familienfotos, schraubt eine Schaufensterpuppe zusammen, und steht mit rosa Elefantenohren auf einem Dach — eine der wenigen farbigen Einstellungen in dem weitgehend schwarzweißen Film. Bekannte Arbeiten von Feldmann, etwa die Bilderserie »Möwen«, spielen nur eine untergeordnete Rolle. Eine lineare Erzählung entsteht nicht.

 

Wer Corinna Belz’ letzte Künstlerporträts kennt — »Gerhard Richter: Painting« (2011) oder »Peter Handke — Bin im Wald, kann sein, dass ich mich verspäte« (2016) — wird vielleicht überrascht sein von der ebenso spielerischen wie sperrigen Form ihres aktuellen Films. Und doch gibt es ganz grundsätzliche Gemeinsamkeiten. Es geht auch hier um das Verhältnis von Künstler und Werk, das sich (nicht nur) in seiner Arbeit ausdrückt. Eine Selbstverständlichkeit im Genre, sollte man meinen. Doch faktisch eher die Ausnahme. Meistens beschäftigen sich Künstlerporträts eher mit Biografischem und Historischem: mit Skandalen und Liebschaften, Exzentrik und Seelenqualen, Gesellschaft und Politik. Belz’ Filme erkunden dagegen konzentriert, wie Kunst entsteht und welche individuelle Haltung ihr zugrunde liegt, nicht nur im Atelier oder am Schreibtisch, sondern auch beim Pilze putzen (Handke) oder beim Sinnieren am Rheinufer (Feldmann). »Ich schaue mir die Interaktion zwischen Maler und Bild an«, erklärt die Kölnerin im Gespräch in Bezug auf ihren Film über Richter. »Das ist viel interessanter als alles, was ich über sein Privatleben sagen könnte, weil er dabei ja etwas von seinem ganzen Wissen, seinem ganzen Sein preisgibt«.

 

In dem Film über Hans-Peter Feldmann ist auf den ersten Blick gar nicht so leicht zu erkennen, dass es auch hier um die Arbeit des Künstlers geht. Die Aufgabe war schwierig: Wie macht man einen Film über jemand, der nicht malt, sondern vor allem sammelt, zusammenstellt, neu arrangiert, bei dem ein Großteil eben tatsächlich im Kopf passiert? »Feldmann arbeitet tatsächlich so, wie wir es im Film sehen, wenn er etwas für eine Ausstellung oder Galerie produziert. Nachher steht dann da das Kunstobjekt. Hier ist die Performance, die er selber macht, die Arbeit«, erklärt Belz. »80 Prozent der Szenen kommen aus seinem Notizblock. Das sind Situationen, die er gesehen hat. Das hat auch alles mit seinen Werkstoffen zu tun, die sehr analog sind: eine Schreibmaschine, Fotoabzüge. Seine Kunst funktioniert sehr haptisch, objektbezogen.«

 

Die radikalste Entscheidung war, die Abfolge der Szenen tatsächlich per Zufallsgenerator zu bestimmen. »Ich wollte einen Film machen, der überhaupt keinen Regeln gehorcht. Deshalb haben wir wirklich Nummern ausgelost, um die Szenenfolge zu bestimmen«, erklärt Belz. »Sonst ist man bei Dokumentarfilmen ja immer bemüht Zusammenhänge herzustellen, was ich auch gerne mache und eine große Kunst finde. Das war der Versuch, ganz anders heranzugehen«. Herausgekommen ist ein Film, der dem humorvoll-anarchischen Geist Feldmanns besser entspricht, als es ein herkömmliches Künstlerporträt könnte.

 

Belz scheint sich zu schwierigen Typen hingezogen zu fühlen, sei es der scheue, selbstzweifelnde Richter, der Feuerkopf Handke oder der unberechenbare Feldmann. In jedem ihrer Filme gibt es Momente, wo Szenen von den Protagonisten abgebrochen werden, in denen die Dreharbeiten auf der Kippe zu stehen scheinen — wie etwa die Autofahrt am Anfang des Feldmann-Films. Für Belz sind das Momente der Vertrauensbildung: »Es ist wichtig, dass man sich in so einer Situation nicht gekränkt zurückzieht, sondern dass der Gefilmte merkt, dass man das aushält. Die Angriffe kommen ja aus einer Stimmung, die durchaus berechtigt und nachvollziehbar ist, weil man für einen 90-minütigen Film auch sehr viel vom Gegenüber verlangt.«

 

Nähe entsteht durch Vertrauen, sagt Belz. Eine persönliche Nähe brauche es dabei nicht. Vielleicht sogar im Gegenteil: »Wichtig ist, dass man es dem anderen nicht so rechtmachen will, dass man nicht so anfällig ist für Komplizenschaft. Man muss bei sich bleiben, um seinen Film so gut wie möglich zu machen.« 

 

 

Hans-Peter Feldmann — Kunst keine Kunst

 

So 28.1., Filmforum im Museum Ludwig, 15 Uhr, im Rahmen von Stranger Than Fiction 

 

Mo 5.2., Filmpalette, 19:30 Uhr, im Rahmen der Reihe Painting MoviesJeweils im Anschluss Diskussion mit der Regisseurin.