Nicht im Fokus der städtischen Drogenhilfe: U-Bahnstation am Friesenplatz, Foto: Dörthe Boxberg

Wohnzimmer auf Zeit

Der Friesenplatz ist sozialer Treffpunkt der Kölner Drogenszene. Doch das könnte sich bald ändern

»Gemeinsam schmeckt‘s besser«. Wie ein bitterer Kommentar prangt die Leuchtreklame über dem Kiosk in der U-Bahnstation Friesenplatz. Seit Jahren nutzen Drogenabhängige die Zwischenebene als Treffpunkt. Hier begegnen sie Bekannten und verbringen ihren Tag, geschützt vor Regen und Wind. Ist das Wetter freundlicher, gehen sie nach oben und setzen sich auf den Platz vor dem Modehaus Weingarten. Mal sind es nur vier oder fünf Menschen, mal vierzig oder fünfzig. Und dann fangen die Probleme an, zumindest aus der Sicht vieler Anwohner und Geschäftsleute.

 

Als »Alptraum« und »Zumutung« bezeichnet Alexandra Bund vom Modehaus Weingarten die Situation. Kunden hätten sich nicht mehr hinein getraut, weil die Suchtkranken auf den Bänken unmittelbar vor dem Geschäft saßen, häufig lautstark und selten nüchtern. Gemeinsam mit anderen Geschäftsleuten drängte Bund darauf, die Bänke auf die Platzmitte zu versetzen, was im vergangenen Jahr auch geschah. Doch ihre Empörung ist geblieben. Jeden Tag müsse der Hausmeister im Parkhaus die Hinterlassenschaften der Menschen beseitigen. Und überhaupt: »Wenn man hier aus der U-Bahn steigt, fragt man sich doch: Wo bin ich nur gelandet?«

 

Unter Streetworkern gilt der Friesenplatz — im Gegensatz etwa zum Ebertplatz — eindeutig als einer der Drogenhotspots in der Stadt. Die Bedingungen dort sind quasi ideal: die gute U-Bahn-Anbindung, der Schutz vor Wind und Wetter. Dazu die Arztpraxis am Hohenzollernring, bei der mehr als hundert Suchtkranke in Behandlung sind und Methadon erhalten.

 

Während am Neumarkt, der ebenfalls als Hotspot gilt, vorwiegend gedealt und konsumiert wird, ist der Friesenplatz zu einer Art Wohnzimmer für die Szene geworden. »Irgendwo müssen sie sich ja aufhalten«, sagt Stefan Lehmann, der als Streetworker für das Gesundheitsamt täglich vor Ort ist. Die Mehrzahl der Menschen vom Friesenplatz sei substituiert und ins Hilfesystem eingegliedert, viele hätten eine Wohnung, manche auch einen Job. Andere hangelten sich von Notschlafstelle zu Notschlafstelle, und da Köln eben eine Metropole sei, landeten auch neu Zugewanderte oder Menschen auf der Durchreise am Friesenplatz. Lehmann kümmert sich um all diese Menschen, die noch keinen Zugang zum Hilfesystem haben, wobei er auch mit Polizei und Ordnungsamt zusammenarbeitet. »Das Kölner Drogenhilfesystem ist vorbildlich«, findet Lehmann.

 

Gern gesehen sind die Süchtigen jedoch kaum irgendwo. Bis vor wenigen Jahren verbrachten viele von ihnen ihre Tage vor dem Hotel am Rudolfplatz. Nachdem der neue Eigentümer jedoch einen Zaun auf der Mauer angebracht hatte, wanderten die Menschen weiter — zum Friesenplatz. Andere wiederum, heißt es, seien vom Ebertplatz oder Neumarkt gekommen. Nachdem in der Presse viel von diesen Plätzen die Rede war, stieg dort der Kontrolldruck durch Ordnungsamt und Polizei. Am Friesenplatz fühlten sich zuletzt Schüler, die auf ihrem Schulweg dort entlangkamen, eingeschüchtert und beschwerten sich bei ihren Schulen. Nun patrouillieren Mitarbeiter des Ordnungsamts, die ohnehin mehrmals täglich dort sind, schon morgens vor Schulbeginn.

 

Größere mediale Aufregung hat es um den Friesenplatz nie gegeben. Allein im Oktober vergangenen Jahres ging eine Meldung durch die Lokalpresse, nachdem zwei Männer zwei andere aus der Szene attackiert hatten und einer von ihnen nach Tritten gegen den Kopf lebensgefährlich verletzt worden war. 

 

Skandalöse Zustände aber, wie man sie dem Ebertplatz zuschrieb, kann hier niemand erkennen. »Diese Menschen haben sicher kein angenehmes Leben«, sagt ein Ladenbetreiber, vor dessen Augen sich das Geschehen am Friesenplatz täglich abspielt. Klar, es biete sich ein irritierendes Bild, wenn man hier aussteige und sich nicht auskenne. Doch Probleme mit den Süchtigen habe er nie gehabt: »Die sind eigentlich ganz lieb.« 

 

Auch das Ordnungsamt versichert: die Zahl der Beschwerden sei nicht außergewöhnlich hoch. Wenn sie Ordnungswidrigkeiten feststellten, handle es sich meist um »Notdurft im öffentlichen Raum, Vermüllen und aggressives Betteln«, so Petra Rothe vom Ordnungsamt. Dass die Mitarbeiter nun schon morgens kämen, sei allein eine Reaktion auf das Sicherheitsgefühl der Schüler. Besondere Ordnungswidrigkeiten gebe es in diesem Zusammenhang nicht. »Durch die Anwesenheit von suchtkranken Menschen fühlen sich andere Menschen teilweise bedroht oder belästigt. Das ist vielleicht nicht immer ein schöner Anblick — aber deshalb noch lange keine Ordnungswidrigkeit«, so Rothe.

 

»Suchtkranke haben wie jeder andere das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten«, sagt Stefan Lehmann, der Streetworker. Dennoch kann man sich wundern: Jeder weiß um die Situation am Friesenplatz, doch im städtischen Drogenhilfekonzept, das der Rat Ende 2017 verabschiedet hat, taucht der Friesenplatz nicht auf. Die Hotspots für den Drogenkonsum wurden anderswo ausgemacht. Das millionenschwere Hilfspaket sieht vor, dass nach dem Drogenkonsumraum am Neumarkt, der nach langer Verzögerung frühestens Mitte des Jahres in Betrieb geht, bis 2021 ähnliche Angebote in Mülheim, Kalk, Chorweiler und Meschenich entstehen sollen. Zwar behält sich die Stadt vor, auf Veränderungen in der Szene zu reagieren. Einen Konsumraum in der Nähe vom Friesenplatz wird es aber wohl nicht geben.

 

Dennoch könnten die Investitionen in der Drogenhilfe auch Orten wie dem Friesenplatz zugutekommen. Die Stadt wird für 300.000 Euro eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben, die für das gesamte Stadtgebiet belastbare, neutrale Daten liefern soll: Wie viele Menschen sind in Köln suchtkrank? Wo halten sie sich auf? Welche illegalen Drogen konsumieren sie? »Auch nach meiner subjektiven Beobachtung hat sich am Friesenplatz etwas verändert. Mit subjektivem Empfinden kann man aber keine Politik machen«, sagt Ralf Unna (Grüne), der dem Gesundheitsausschuss vorsitzt. Die wissenschaftliche Bestandsaufnahme habe bislang gefehlt. Und wo es keine Fakten gibt, werden Debatten anderweitig gelenkt. Fehlte am Friesenplatz womöglich bisher der öffentliche Druck?

 

Dass manchem die Situation am Friesenplatz in den vergangenen Monaten noch trostloser erschienen ist, mag noch einen anderen Grund haben. Die Restaurants All Bar One und Alex stehen leer, ebenso wie das Hochhaus am Hohenzollernring nach der Pleite der Warenhauskette Strauss Innovation. Auch gegenüber, rund um das »Capitol«-Haus, in dem einst die Harald-Schmidt-Show gedreht wurde, sind Fenster abgeklebt und Türen verrammelt. Daneben ist Großbaustelle: Die Allianz baut dort das »Haus Friesenplatz« mit Büros, teuren Wohnungen und Gastronomie. Im Innenhof errichtet die Entwicklungsgesellschaft Proximus, die den »Capitol«-Komplex gekauft und darin ihr Büro eingerichtet hat, ein Vier-Sterne-Hotel. 

 

Auch das leerstehende Hochhaus hat Proximus erworben. Die Pläne dafür seien jedoch noch nicht spruchreif, so ein Unternehmenssprecher. Man wisse natürlich um die Situation mit der Drogenszene am Friesenplatz. Nur so viel möchte er sagen: »Wir wollen den Ort auffrischen, wieder Leben auf den Hohenzollernring bringen.« Eher unwahrscheinlich, dass damit auch das Alltagsleben von Suchtkranken gemeint ist.