Schmutzig und giftig wie nirgends sonst in NRW: die Luft am Clevischen Ring in Mülheim, Foto: Dörthe Boxberg

Hoher Luftdruck

Ein Diesel-Fahrverbot rückt immer näher. Die Stadt sucht hektisch nach Ideen

 

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schlägt Alarm — »Abgasalarm«. Das amtliche Mess-Netz für Stickoxide in Deutschland sei »löchrig wie ein Schweizer Käse«. Deshalb will der Verein im Februar an 500 zusätzlichen Stellen selbst Messungen des »Dieselabgasgifts« durchführen. Sie sollen weitere Beweise dafür liefern, wie fahrlässig Städte und Gemeinden mit der Gesundheit ihrer Einwohner umgehen.

 

In Köln bedarf es solcher Beweise nicht mehr. Seit Jahren überschreitet die Stadt an mehreren Messpunkten die Grenzwerte, der Clevische Ring in Mülheim ist NRW-Spitzenreiter bei den Stickoxiden. Köln ist auch eine von 19 deutschen Städten, mit denen sich die DUH gerichtlich auseinandersetzt. Der Umweltverband will die geltenden EU-Grenzwerte durchsetzen. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig am 22. Februar gegen Düsseldorf könnte hierfür eine Grundsatzentscheidung sein. Dann wäre auch der Alltag in Köln empfindlich getroffen: Denn eine der wenigen Maßnahmen, die schnell für bessere Luft sorgen würden, sind Diesel-Fahrverbote. Mit Diesel aber fahren Busse der KVB, die Müllabfuhr und nicht zuletzt LKW, die Waren in die Geschäfte liefern. 

 

Zu Jahresbeginn legte die Kölner Verwaltung einen 182 Seiten starken Katalog vor. Der Wälzer ist das Ergebnis des »Runden Tisches Luftreinhalteplanung«. Umweltdezernent Harald Rau hatte im Vorjahr Vertreter von Wirtschaft und Logistik, Handwerk und Handel sowie Umweltverbänden zusammengetrommelt und einen neuen Luftreinhalteplan entworfen. Es sind 56 Maßnahmen zu »Ausbau und Förderung des ÖPNV«, »Städtisches Grün« oder »Blaue Plakette« für die Fahrzeuge, die wenig Gift ausstoßen. Manches würde schnell helfen, anderes erst nach Jahren. Manches wäre für einige tausend Euro zu haben, anderes würde in die Millionen gehen. Der Katalog ist ein eilig zusammengestellter Werkzeugkoffer, in dem man möglichst viel unterbringen wollte.

 

Welche Instrumente geeignet sind, entscheidet nun die Politik. Weil nahezu alles und jeder in der Stadt betroffen sein könnte, muss die Verwaltungsvorlage durch sieben Ausschüsse und neun Bezirksvertretungen geschleust werden — innerhalb von drei Wochen. Anfang Februar soll der Rat der Stadt dann einen Beschluss fassen. Das aber könnte ein Wunsch der Stadtspitze bleiben. »Es hat fast ein Jahr gedauert, bis die Verwaltung die Maßnahmen vorgelegt hat«, sagt Wilfried Becker, umweltpolitischer Sprecher der SPD im Rat. »Dann sollte man uns auch die Zeit zugestehen, sie zu bewerten.« Er kündigt Beratungsbedarf in den Ausschüssen an. Der Prozess würde sich verzögern. »Das Thema wird man nicht mit ein, zwei Maßnahmen vom Tisch wischen können«, sagt Becker. Um alles umzusetzen, fehlt der Stadt aber das Geld. Daran ändert auch der Fonds »Nachhaltige Mobilität in der Stadt« des Bundes nicht, der für Köln einen zweistelligen Millionenbetrag vorsieht.

 

Nachdem in Köln über Jahre nichts gegen giftige Luft unternommen wurde, tickt nun die Uhr. Legen Gerichte bald das städtische Leben lahm? Vorsorglich ändert die Stadtspitze ihre Rhetorik. Nach dem Dieselgipfel im September hatte OB Henriette Reker in den Tagesthemen noch von der doppelten Absicht gesprochen, »die Luftreinhaltung zu verbessern und Fahrverbote zu vermeiden«. Mittlerweile spricht Reker nur noch vom »Schutz der Gesundheit der Bevölkerung«. Dagegen soll niemand Einwände vorbringen können, wenn das Diesel-Fahrverbot kommt.