»Humor hat mit Schmerz zu tun«

Ein Gespräch mit Martin McDonagh über seinen Oscarfavoriten Three Billboards

Outside Ebbing, Missouri und seine Vorliebe für schwarzen Humor

Frances McDormand spielt in Ihrem Film eine resolute Mutter, die sich sieben Monate nach dem unaufgeklärten Mord an ihrer Tochter mit der örtlichen Polizei anlegt. Hatten Sie McDormand schon im Kopf, als Sie mit dem Drehbuch angefangen haben?

 


Ja, ich habe die Rolle für sie geschrieben und ich kann mir keine andere Darstellerin vorstellen, die diese Integrität und Verletzlichkeit mit diesem ganz speziellen, schrägen Humor spielen kann. Sie verkörpert diese komplexe Frauenfigur aus der Arbeiterklasse absolut glaubwürdig.

 

 

In Ihren bisherigen Filmen »Brügge sehen … und sterben?« und »Sieben Psychos« waren Männer die Helden. Wie kam es jetzt zu einer Protagonistin?

 

 

Stimmt, meine Filme waren bisher sehr männerdominiert, aber ich hatte schon immer starke Frauenfiguren in meinen Theaterstücken. Doch die kennen natürlich viel weniger Menschen, also dachte ich, es wäre endlich an der Zeit für die große Leinwand. Die von Frances McDormand gespielte Mildred ist ja vor allem sehr ungewöhnlich — sie ist nicht bloß die weibliche Variante eines männlichen Helden. So eine Rolle zu schreiben, fordert einen heraus, weil es kein Vorbild gibt und man oft nicht weiß, wie sie als nächstes reagieren wird. Sie ist kämpferisch, auch latent gefährlich. Es war sehr befreiend, eine solche Figur zum Leben zu erwecken.

 

 

Wie wichtig sind Region und Landschaft in Ihrem Film? Hätte er auch in einem anderen US-Bundesstaat als Missouri oder sogar in Ihrer britischen Heimat spielen können?

 


Außerhalb von Missouri vielleicht, aber die Geschichte muss schon in den Südstaaten spielen. Die Vergangenheit mit dem tief verwurzelten Rassismus spielt eine wichtige Rolle. Es ist eine amerikanische Geschichte. Und auch die Highways und die Reklametafeln findet man so nur dort. Ich fahre gerne mit dem Auto durch die Staaten, schaue mir Kleinstädte an und höre den Leuten zu. Für mich ist das wie Kino. So habe ich auch die Mentalität dort kennengelernt. Und ich hoffe, das konnte ich auf den Film übertragen, ohne dass es ein touristischer Blick ist.

 

 

Was war der Ursprung des Films?

 


Vor etwa zwanzig Jahren fuhr ich in einem Greyhound-Bus übers Land und sah auf einem Feld ein paar Billboards mit einer ganz ähnlichen Anklage gegen die Polizei wie im Film. Nur ein paar Sekunden, fast wie im Traum. Und ich musste immer wieder an den Schmerz denken, der sich in solch einer Aktion ausdrückt. Wer könnte dahinterstecken? Als ich mich entschied, dass es sich um die Mutter einer Teenagerin handelt, schrieb sich die Geschichte fast von selbst. Es dauerte keine sechs Wochen, bis ich sie fertig hatte. Aber das war vor acht Jahren. So lange dauerte es, bis ich alle Leute an Bord hatte.

 

 

Die Handlung spiegelt die derzeitige Debatte um Rassismus in den Vereinigten Staaten wider. Inwieweit haben Sie das Drehbuch aktualisiert?

 


Überhaupt nicht. Es ist nach wie vor die Fassung von vor acht Jahren. Leider hat sich in der Hinsicht in der Gesellschaft nicht viel verändert — und wird es vermutlich auch in den nächsten acht Jahren nicht. 

 

 

Wie schwierig war es, die Balance zu halten zwischen Themen wie Vergewaltigung und Rassismus auf der einen und dem sehr schwarzen Humor auf der anderen Seite?

 


Diese Balance findet sich in all meinen Werken, ob auf der Bühne oder im Film. Hier war die Herausforderung, auf keinen Fall zu witzig zu werden. Wir mussten uns auf das Tragische konzentrieren. Mildred und ihre Geschichte stehen klar im Mittelpunkt. Anfangs hatten wir noch mehr komische Elemente, vor allem Szenen mit dem von Sam Rockwell gespielten Polizisten, aber mir wurde klar, dass die in die falsche Richtung gehen. Vieles hat sich erst im Schnitt ergeben. 

 

 

Woher kommt das Interesse an dieser Gratwanderung?

 


Mich hat der englische Theaterautor Harold Pinter sehr beeinflusst. Viele halten ihn für sehr ernst und düster, aber ich finde seine Stücke zum Schreien komisch, auch wenn die Figuren oft furchteinflößend sind. Auch David Mamets frühe Werke sind sehr witzig. Oder Filme wie »Taxi Driver« und »Mean Streets«. Finde ich zumindest. Humor hat auch immer mit Schmerz zu tun.

 

 

Ihr Bruder John Michael McDonagh ist ebenfalls Regisseur und Drehbuchautor, etwa von »The Guard« und »Am Sonntag bist du tot«. Haben Sie je daran gedacht, mit ihm gemeinsam einen Film zu realisieren?

 


Niemals! Wir reden höchstens über Schauspieler, die uns auffallen und fragen den anderen um Rat bei der Besetzung. Wir haben ein gutes Verhältnis, aber wir sind beide ziemliche Sturköpfe und jeder macht eh, was er selbst für richtig hält.