Immer Feste druff

Craft Beer und Kasalla oder Knoblauchchampignons und Schlager? In Nippes, am Eigelstein und in der Südstadt tobt ein Kulturkampf ums Straßenfest

Wer feiern will, erntet häufig Protest. In der Südstadt unterschrieben 170 Anwohner gegen das geplante Nachbarschaftsfest »Bunt im Block«. In Nippes gab es im vergangenen Jahr Querelen rund um das jüngste von drei Straßenfesten auf der Neusser Straße. Und am Eigelstein streiten zwei Initiativen um das nächste Straßenfest im Sommer. 

 

Zoff zwischen Veranstaltern, Händlern und Anwohnern ist nicht ungewöhnlich. Derzeit spielt sich aber ein regelrechter Kulturkampf ab. Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister der Innenstadt, hat sich für dieses Jahr vorgenommen, »endlich Frieden für den öffentlichen Raum« zu schaffen. Er will Regeln für Straßenfeste. Will sich die Politik des Problems annehmen, stehen grundsätzliche Fragen an: Wer darf die Stadt wie nutzen? Zu welchem Zweck? Was kann Anwohnern zugemutet werden?

 

Diese Themen verhandelt seit einigen Jahren der »Tag des guten Lebens«. Ethische Fragen sind für den Verein Agora, der das autofreie Nachbarschaftsfest veranstaltet, zentral. In Ehrenfeld, Deutz und Sülz beteiligten sich bereits viele Anwohner mit Aktionen vor ihrer Haustür. Kinder verkauften Witze, Nachbarn frühstückten an langen Tafeln. In diesem Jahr soll der Tag die Anwohner im Eigelstein- und Agnesviertel zusammenbringen. Die Künstler in den Passagen am Ebertplatz wollen sich beteiligen. Der Hansaring soll für Autos gesperrt werden. Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Stadtentwicklung und Verkehr sind damit gesetzte Themen. Doch der »Tag des guten Lebens« ist eher die Ausnahme. Die Nachbarschaft stärken, indem man sich beim Straßenfest besser kennenlernt? Diese Idee ist zwischen den Fressbuden auf vielen anderen Festen nur schwer auszumachen. 

 

Der holländische Blumenhändler neben Knoblauchchampignons, Modeschmuck, bedruckten T-Shirts und Bierstand: Viele der etwa 150 Straßenfeste im Jahr sind austauschbar, ob in Kalk, Sülz oder Mülheim. Das hat mit Wilhelm von der Gathen zu tun, Inhaber einer nach ihm benannten Veranstaltungsagentur. Seit mehr als 40 Jahren organisiert er Straßenfeste in Köln nach dem immergleichen Muster und oft mit den immergleichen Buden.

 

Seine Agentur arbeitet oft im Auftrag von Interessengemeinschaften (IG), also usammenschlüssen von Einzelhändlern, die manchmal nur existieren, um ein Straßenfest zu beantragen. Von der Gathen ist nicht nur ihr Auftragnehmer. In mehr als einem Dutzend IGs ist er Mitglied, »eigentlich in allen, für die wir aktiv sind«, sagt sein am Geschäft beteiligter Sohn Tracy. In manchen sitzt der Vater im Vorstand, etwa im Severinsviertel. Für die unbestritten sehr aktive IG organisiert er »Dä längste Desch vun Kölle«, das größte und für seine Ballermann-Atmosphäre berüchtigte Straßenfest. Die Gefahr von Interessenkonflikten sieht von der Gathen durch seine Mitgliedschaften nicht: »Ich kann das gut trennen.« Andere kritisieren jedoch, dass sich die IGs in von der Gathens Abhängigkeit begeben. 

 

Während sich Freizeit- und Konsumgewohnheiten in den vergangenen Jahren änderten, passten sich von der Gathens Feste kaum an. Viele seiner Auftraggeber verlieren Unterstützung im Veedel. In Nippes lassen die Karnevalisten der Bürgerwehr ihr Sommerfest nicht mehr von von der Gathen organisieren. Am Eigelstein will in diesem Jahr der neu aufgestellte Bürgerverein das Straßenfest in den »Tag des guten Lebens« integrieren. »Wir wollen dazu beitragen, dass sich die Leute stärker mit ihrem Viertel identifizieren«, sagt Vorstandsmitglied Ruth Wennemar. Die IG Eigelstein & Friends, die das Straßenfest hier seit 2014 organisierte, mit von der Gathen als Auftragnehmer und Vorstandsmitglied, hatte eigentlich zugesagt, sich zurückzuziehen. Für den Bürgerverein kommt eine Zusammenarbeit mit von der Gathen nicht infrage: »Wir wollen das Kirmesartige nicht mehr«, sagt Wennemar. Von der Gathen kann die Kritik an der Gestaltung seiner Feste nicht nachvollziehen. »Ich glaube nicht, dass ich etwas verpasst habe«, sagt er zu den veränderten Erwartungen und bleibt hartnäckig: Er ist weiterhin in beiden Vierteln vertreten.

 

 Weil der Bürgerverein am Eigelstein das Straßenfest in »völlig anderer Form« plane, sei die IG wieder auf ihn zugekommen mit einer Liste von Unterstützern, die ihr traditionelles Straßenfest wiederhaben möchten. In Nippes tauchte nach der Entscheidung der Karnevalisten plötzlich eine neue »Werbe- und Interessengemeinschaft« auf. In ihrem Namen wurden Unterschriften für ein weiteres Straßenfest gesammelt, das im vorigen Sommer erstmals stattfand. Ausführende Agentur: Werbepraxis von der Gathen. Die Umstände in Nippes sind zudem dubios. Auf einer Unterstützer-Liste fanden sich zahlreiche Geschäfte wie das Restaurant Rosenstock oder »Böhmers Köstlichkeiten«, die zum Teil seit Jahren geschlossen sind. Fahrradhändler Martin Schmitt vom Geschäft Radius, der auf der Liste der Gründungsmitglieder steht, wusste nichts davon und hält auch ein Missverständnis für ausgeschlossen: »Ich habe kein Interesse an einem Straßenfest«, sagt er. Marc Hinterkausen, der ein Modegeschäft auf der Neusser Straße betreibt, taucht im Briefkopf der Unterstützerliste auf — als Vorstandsmitglied der IG. »Ich bin nicht Mitglied und schon gar nicht im Vorstand«, sagt er. Die Listen mit Gründungsmitgliedern und Unterstützern wurden mit dem Antrag für das neue Fest beim Ordnungsamt eingereicht. Beide liegen der Stadtrevue vor. Von der Gathen weist jede Beteiligung am Erstellen der Listen zurück. 

 

Nicht jeder finde sich aber in den »neuen Festen« wieder, sagt er. Die IGs in Nippes und am Eigelstein werden jeweils von Händlern geführt, die gleich auf mehreren Straßenfesten von von der Gathen Stände mieten und deren Angebot man sich nicht ohne weiteres auf dem Tag des guten Lebens vorstellen kann. Doch nicht nur in Nippes und am Eigelstein sucht man nach neuen Wegen. Die Aktionsgemeinschaft Bonner Straße, Chlodwigplatz (ABC) trennte sich nach vielen Jahren von Platzhirsch von der Gathen. Die ABC beauftragte eine Agentur, deren Version auf breitere Zustimmung trifft. Die Imbisswagen heißen nun Foodtrucks und bieten raffiniertere Kost an. Mehr gemeinnützige Initiativen sind mit Ständen vertreten. Der Hipster-Barbier, der Craft-Beer-Laden und eine Hutmacherin aus dem Viertel stellen sich den Besuchern vor. Abends stehen Kasalla oder Cat Ballou auf der Bühne. Grundsätzlich bleibt es aber bei der kommerziellen Ausrichtung. Von der Gathens Konkurrent Thomas Kohs, der den schwul-lesbischen Weihnachtsmarkt in der Schaafenstraße organisiert, und viele seiner Standbetreiber wollen auf der Bonner Straße Gewinn machen. Kohs ist mit seiner Agentur prompt Mitglied in der Interessengemeinschaft geworden, die ihn beauftragt hat. 

 

Straßenfeste, die von Händlern im Viertel initiiert werden, sollen für den Einzelhandel werben und zielen auch auf Besucher von außerhalb. Das ist — wie auch das vom Stadtrevue-Verlag organisierte Mode-Event »le bloc« im Belgischen Viertel — nicht immer im Interesse der Anwohner und erklärt, warum manche allergisch auf Nachbarschaftsfeste reagieren. Die Kritik am in der Südstadt geplanten »Bunt im Block« entzündete sich an einem professionell aufgemachten Faltblatt, das sich an potenzielle Sponsoren richtet. Von bis zu 100.000 erwarteten Besuchern war darin die Rede. Die Veranstalter, darunter Profis aus der Event-Branche und Mitorganisatoren des »Tag des guten Lebens«, beteuern den unkommerziellen Charakter, verweisen auf Unterstützer aus der Südstadt wie Pfarrer Hans Mörtter und die Möglichkeiten, das Fest mitzugestalten. Die Sponsoren sollen lediglich helfen, die Kosten zu decken. »Wir haben ein nicht-
kommerzielles Straßenfest beantragt«, sagt Mitorganisator Thomas Schmeckpeper, der auch für die Wählergruppe »Gut« im Rat sitzt.

 

Doch der Unterschied zwischen kommerziell und unkommerziell ist nicht nur für Nachbarn, die generell kein Interesse an Festen haben, schwer zu greifen. Mit wachsendem Aufwand steigt auch der Druck, Einnahmen zu erzielen. Die Kosten für Absperrungen, Schilder und Ordner belaufen sich schnell auf fünfstellige Summen. Für das Ordnungsamt spielt bei der Genehmigung keine Rolle, ob der Veranstalter Gewinn erzielen will. Ob ein Fest von Anwohnern unterstützt wird, können die Mitarbeiter offenbar nur oberflächlich prüfen. Die Ungereimtheiten in Nippes ließ der zuständige Mitarbeiter als »Nachlässigkeit des Antragstellers« durchgehen, das Straßenfest wurde genehmigt, trotz Beschwerden aus dem Viertel. In den vergangenen Jahren wurden lediglich drei »Anträge auf Erteilung entsprechender straßenwegerechtlicher Erlaubnisse« abgelehnt, teilt das Ordnungsamt auf Anfrage mit. Einen Anspruch auf Genehmigung gebe es zwar nicht. Es gelte aber der Gleichbehandlungsgrundsatz. Klare Kriterien, nach denen Veranstaltungen zugelassen werden, müsste also die Politik erst beschließen. Noch steht Bezirksbürgermeister Hupke mit seinem Vorsatz alleine da. Für die Ratsfraktionen sind Straßenfeste kein Thema.