Leute machen Kleider

Medienstadt, Musikstadt, Hauptstadt der Technoszene, Kunstmetropole der 80er Jahre:

Das sind die Schlagwörter, die für gewöhnlich fallen, wenn man danach fragt, was für Assoziationen man mit »Köln und Kultur« verbindet. Aber Modestadt?

Tatsache ist, dass sich in den letzten Jahre eine lebhafte Szene aus Designern, kleinen Labels,

Läden und Netzwerken gebildet hat, die auf hohem Niveau Mode entwirft.

Nina Lammers gibt einen Einblick in die Szene und unterhielt sich mit den Modedesignern Diana Zoradana Elfadivo, Julia Kirstein und Chang 13. Manfred Wegener fotografierte Stücke aus ihren Kollektionen.

 

 

Wo krieg ich bloß meinen Stoff her?

Die Infrastruktur für Modedesigner lässt zu wünschen übrig. Doch unter der Hand und fast beiläufig mausert sich Köln zur Modestadt.

Weiße Totenköpfe auf schwarzem Minirock. »Wie viel?« Zwei Frauen blicken Melanie Goebel an, eine hält einen Kleiderbügel mit dem Rock in die Höhe. »69 Euro.« Als Melanie merkt, dass die beiden sie nicht verstehen, sagt sie es noch mal anders: »Sechs neun.« Dabei zeigt sie zuerst sechs und dann neun Finger. Die beiden Frauen besprechen sich kurz auf Türkisch, sagen »teuer«, hängen ­den Rock zurück und verlassen den Modeladen Star 3000 in der Weidengasse.

Für Manche sind 69 Euro viel Geld – teuer ist der Rock aber nicht: Er ist ein Unikat, handgefertigt von einer jungen Kölner Desig­ne­rin. Im Star 3000 gibt es ausschließlich Designermode. Hier verkaufen zwanzig junge Modemacher ihre Kollektionen, darunter auch Melanie Goebel. Die Jungdesigner teilen sich Miete und Strom des kleinen Ladens, veranstalten Modenschauen und Designmärkte.

Skeptisch beäugt von anderen Kunden

Modedesigner, Designmärkte, Modeschauen: In Köln gibt es eine Modeszene, obwohl die Stadt ihren Modemachern nicht viel zu bieten hat. Keine Modemesse, keine De­signschule. Noch nicht einmal einen Stoffgroßhandel gibt es in Köln.

Wollen Kölner Designer ihr Material, neue Stoffe, beziehen, haben sie drei Möglichkeiten: Entweder sie lassen Vertreter kommen, sie fahren zu Stoffgroßmärkten in andere Städte, oder sie gehen in eines der wenigen ganz nor­malen Stoffgeschäfte Kölns. Die sind nicht nur teurer als Großhändler, sie wenden sich auch an eine andere Zielgruppe: Oft sind es äl­te­re Frauen, die in den Stoffgeschäften in der In­nen­stadt einkaufen, um ihren Ehemännern oder Enkeln Hosen oder Kleidchen nach Schnitt­­mustern zu nähen. Melanie Goebel fühlt sich dort oft fehl am Platz: »Die anderen Kunden beäugen einen skeptisch, so als würden sie einer jungen Frau nicht zutrauen, dass sie mit Nadel und Faden umgehen kann. Da kom­me ich mir manchmal etwas exotisch vor«, sagt sie.

Straßenzüge werden zu Modemeilen

In Köln werden Modedesigner nicht nur zu Exoten, sondern auch zu Flüchtlingen. Wer hier sein eigenes Label produzieren und vertreiben will, muss erst mal weg: Zuerst ­wo­anders studieren, dann woanders Stoffe einkaufen und zuletzt woanders hinfahren, um seine fertigen Kollektionen auf Messen zu präsentieren.

Trotzdem zieht es Modemacher nach Köln. Ganze Straßenzüge haben sich in den letzten paar Jahren als Mode- und Designmeilen einen Namen gemacht, wie zum Beispiel die Engelbertstraße im Kwartier Latäng, die ­Merowingerstraße in der Südstadt oder die Körnerstraße in Ehrenfeld. Jungdesigner lassen sich im Belgischen Viertel neben den alteingesessenen Kölner Designern nieder, und auch abseits der Ballungsgebiete eröffnen vereinzelt Modegeschäfte.

Designerläden neben Pommesbude - im Modestandort Köln prallen manchmal noch Welten aufeinander

Mit den neuen Designern hat sich eine neue Modeszene entwickelt. Nicht nur die Jungdesigner aus dem Star 3000 im Eigelsteinviertel werden jenseits der Nähmaschine kreativ. Auch in den anderen Vierteln schließen sich die Modemacher zusammen, bilden Werbegemeinschaften und stellen Verbindun­gen mit anderen Kreativen her: Im letzten Januar haben Kölner Modedesigner während der Möbelmesse Passagen in einer Ausstellung ihre Kleider präsentiert; in manchen ­Modeläden sorgen DJs für Musik, Fotografen oder Maler stellen ihre Arbeiten aus auf einigen Kölner Partys zeigen Models Mode von Jungdesignern. Auch während dem Rhein­design-Festival, dem »Cologne International Design Summer«, wenn sich hier vom 20. bis 24. Juni alles um Thema Gestaltung dreht – von Architektur über Möbel­design bis zur ­bildenden Kunst –, wird es Aktionen rund um das Thema Mode geben.

Die Kölner Designer machen ihre Umgebung zum Modestandort. Manchmal ergänzen sich Umgebung und Mode, wie im Belgischen Viertel, wo sich die Designerläden neben schicken Straßencafés und Platten­läden befinden. Wenn die Umgebung allerdings nicht so durchgestylt ist, können schon mal Welten aufeinanderprallen, wie in der Weiden­gasse, wo sich Star 3000 in das Multikulti aus Dönerbuden, Thairestaurants und Kölschkneipen einfügt. Melanie Goebel sieht in dem Kontrast das Positive: »Es kommen oft Leute aus dem Viertel, die, wie die beiden Frauen, keine Ahnung haben, was wir hier verkaufen. Nicht alle gehen direkt wieder. Manche sind richtig interessiert, kaufen was und kommen wieder.« So bringen die Kölner Modedesigner Mode unter die Leute und ­Design in die Stadt.


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