Sprachlos grenzenlos

Das Kölner Filmprojekt »grenzenlos — Geschichten von Freiheit & Freundschaft« will geflüchtete Kinder ansprechen und Hoffnung machen

Können Filme Hoffnung geben und Leid lindern? Das Goethe-Institut startete 2015 das Projekt »Missing Movies«. Das Ziel: Kinder, die in Flüchtlingscamps untergebracht sind und keinen Zugang zu Bildung haben, mit Filmen zu erreichen. Das Institut fragte bei Filmhochschulen in Köln, Berlin und Ludwigsburg an. Daraufhin treffen junge Filmemacher Kinder in einem Camp im jordanischen Amman und erfahren dabei zudem von syrischen Müttern, was deren Nachwuchs sich am liebsten anschaut. Klar ist: Die Filme sollen ohne Sprache auskommen und für Kinder ab sechs Jahren verständlich sein. Bei einem Workshop in Köln ist auch Birgit Schulz von der Kölner Firma Bildersturm dabei, die den Film produzieren soll. »Das war totales Neuland für uns. Wir haben noch nie einen Kinderfilm gemacht«, erinnert sich die Produzentin, die auf politische Dokumentationen spezialisiert ist. Auf Kinderfilmfesten, etwa im schwedischen Malmö, habe man sich dann einen Überblick verschafft.

 

Aus der Gruppe der Filmschaffenden haben die Produzenten sieben ausgewählt, die mit ihren Konzepten überzeugt haben. Sie stammen aus Syrien, dem Iran, Deutschland und Kolumbien. »Wir haben mit jedem eine Kalkulation und Budgets erstellt«, erzählt Schulz. Dann seien sie »los in alle Welt, um ihre Geschichten zu drehen«.

 

Das Ergebnis sind sieben Filme, vom Mini-Spielfilm mit Zeichentrick-Elementen über komplette Animationen bis hin zu kurzen Dokus. Alle diese Filme erzählen davon, sich fremd zu fühlen, aber auch vom Abenteuer neuer Erfahrungen. Eine Lupe oder ein gelber Luftballon entführen in aufregende Welten und helfen, Freunde zu finden; ein Schulhof verwandelt sich in einen Dschungel; ein Junge, der im Krieg ein Bein verloren hat, geht ganz in seinem Kraft- und Reittraining auf. Den Rahmen bilden Dokumentaraufnahmen von Kindern aus Camps in Griechenland, Jordanien oder dem Libanon. Sie lassen Plastiktüten wie Drachen steigen oder spielen neben den Containern im Staub.

 

Eine der Filmemacherinnen ist Diana Menestrey, in Kolumbien geboren und vor acht Jahren nach Deutschland gekommen. In den Kurzfilmen, die sie mit ihrem Kollegen und Landsmann Camilo Colmenares entwickelt hat, dreht sich alles um die »allerliebsten Lieblingsdinger« von Kindern. Sie selbst habe als Kind ein kleines Kissen überall hin mit hingenommen, an dessen Geruch sie sich noch genau erinnern könne und das sie heute manchmal vermisse. »Die Kinder haben eine Beziehung zu ihren Lieblingsdingen, sie sind mit Emotionen verknüpft«, sagt Menestrey. Anhand des Gegenstandes hätten sie ihre eigene Geschichte erzählt.

 

Ihre Hauptdarsteller haben Menestrey und Colmenares in Kolumbien und Deutschland gesucht. In ihren Filmen erzählen sie von Sara aus Kolumbien, die ihren Liebling Moris, eine Katze, zurücklassen muss, als sie das Land verlässt. Oder von Jumana aus dem Iran, der ihre Stifte alles bedeuten, weil sie damit ihrer Fantasie freien Lauf lassen kann.

 

Die Animationen wirken wie Collagen. Fotos von den Gesichtern der Protagonistinnen sind auf gezeichnete Körper montiert. Der Zeichenstil bleibt ganz nah an dem der Kinder. Menestrey ist es wichtig, dass die jungen Zuschauer andere Techniken zu sehen bekommen als etwa in Disney-Produktionen. Sie wolle den Kindern zeigen, dass es zwar verschiedene Welten gebe, aber das Menschliche sich gleiche: Jeder empfinde Sehnsucht oder Trauer, wenn er etwas vermisse.

 

Am 10. März feiert das Ergebnis des »Missing Movies« -Projekts unter dem Titel »grenzenlos – Geschichten von Freiheit & Freundschaft« Premiere im Schauspielhaus. Oberbürgermeisterin Henriette Reker wird dabei sein. Vorab hatte es schon eine Vorführung beim Kölner Festival »Cinepänz« gegeben. Birgit Schulz hat sich dort über die gute Stimmung gefreut. »Viele der Flüchtlingskinder sind meist in ihren Unterkünften und haben nicht die Möglichkeit rauszukommen. Für sie war der Kinobesuch auf-regend.«

 

Schulz‘ Firma Bildersturm hat sich um die Finanzierung des 500.000 Euro teuren Projekts gekümmert. Das sei nicht einfach gewesen, sagt Schulz. »Ich rechne es dem WDR, der Film- und Medienstiftung NRW und dem Bundeskulturministerium hoch an, dass sie sich beteiligt haben, obwohl das Projekt in kein Kästchen passt.« Auch der Verleih gehe neue Wege: Joachim Kühn von Real Fiction aus Köln werde mit einem Kinomobil durchs Land fahren und Kontakt zu Flüchtlingsorganisationen aufnehmen, um den Film in Unterkünften oder in geeigneten Kinos zu zeigen.

 

Birgit Schulz hofft, dass »grenzenlos« möglichst viele Kinder in Fluchtsituationen erreichen werde. »Eigentlich lassen Kinder sich nicht so schnell entmutigen. Wir wollen einen Hoffnungsschimmer in ihre triste Umgebung bringen, ihnen neue Perspektiven geben.« Der non-verbale Film könne universell eingesetzt werden. Sie geht davon aus, dass das Goethe-Institut Begleitmaterial erstellen, ihn weltweit zeigen und zur pädagogischen Arbeit oder bei der Therapie von Traumata nutzen werde.