Vom Schreiberlein im Turme

Es war einmal ein Bursche, den nannten sie Klaus C. Niebuhr.
Er taugte nicht zur Feldarbeit, so schwächlich war er, und wenn er das Vieh antreiben sollte, so lief es auseinander und ging verloren. Da entband man ihn von seinen Pflichten und sprach: Du bist uns zu nichts nutze, darum geh in die Welt hinaus und siehe, ob man dich anderswo gebrauchen will. Doch der Bursche war froh und sagte sich: Scheint nicht die Sonne für die Faulen wie für die Fleißigen? So ging er in die Welt und pfiff sich ein lustiges Lied.

 

Wie er da so ging, fand er aber einen Griffel. Heißa, rief er da, den pack ich in mein Säcklein, will ich doch sehen, wozu er mir noch dienen kann. Da kam er an einen Brunnen und wollte sich laben, und fand dort eine Tafel, die war aus Schiefer. Heißa, rief er da, die pack ich in mein Säcklein auch, will ich doch sehen, wozu sie mir noch dienen mag. Als die Sonne sich neigte, kam er in einen Wald, den hatte er nie zuvor gesehen. Sein Säcklein ward ihm schwer, da wollte er rasten. Da erschien eine Fee, die sprach böse: Du Faulpelz, reg dich! Weißt du denn nicht,
was in deinem Säcklein ist? Da schaute der Bursche hinein und fand Griffel und Schiefertafel. Schreib darauf, sprach die Fee, alsdann will ich dir den Müßiggang nachsehen. Doch schreibe gut und recht, alsdann sollst du auch zu gottgefälliger Arbeit zu gebrauchen sein. So sprach die Fee und verschwand. Da war’s dem Burschen wie ein Fluch. Was sollte er nur schreiben? 

 

Da kam eine Alte des Weges, die sagte, sie sei die Oma Porz. Sie sprach: Schreib du nur, wie es dir gefällt, doch schreib nicht nur von euch jungen Leut. Auch du wirst dereinst alt sein, wenn es Gott gefällt! Darauf besann sich der Bursche und ging weiter.

 

Er war nicht weit gekommen, da sprang ein lustiger Gesell hervor, der sagte, er sei der Tobse Bongartz und sprach: Schreib derbe Späße auf, das Volk mag solches, auch wenn sie’s nicht zu sagen wagen! Darauf besann sich der Bursche und ging weiter. 

 

Bald sah er zwei, die hießen Atze und Pit. Sie lagerten am Wegesrand in Lumpen, tranken süßen Wein und sprachen der unflätigen Worte viele. Gieße deinen Spott über die Könige und Pfaffen aus, sprachen sie. Wir armen Knechte werden es Dir danken! Darauf besann sich der Bursche und ging weiter. Doch war’s dem Burschen nun von all dem Rat, als drehten vierzig Mühlräder in seinem Kopfe sich. Erschöpft kam er vor ein Wirtshaus. Der Wirt rief: Kehrt ein/ und trinkt den süßen Wein./ Denn wisse,/ darob vergesst ihr alle Kümmernisse! Wer seid ihr, dass ihr von mir wisst, fragte der Bursche. Man nennt mich auch den Herrn Hirmsel, gab der zurück. Einen jeden kenn ich hier, der den verwunschenen Wald betritt. Der Herr Hirmsel reichte dem Burschen einen gut gefüllten Krug und erzählte von der bösen Fee, die mache, dass die Leut schreiben sollten. Doch sei der vom Fluch erlöst, der die schöne Königstochter Gesine Stabroth mit einer Geschichte zu belustigen wisse. Da nahm sich der Bursche noch einen Krug, trank ihn mit einem Schlucke aus und machte sich auf den Weg zum Schlosse, darin die schöne Königstochter wohnte. Man ließ ihn vor und er zeigte, was er auf die Tafel geschrieben hatte. Die Königstochter aber wurde rot vor Zorn und ließ ihn in den Turm stecken. Schreib besser, zürnte sie,
so lasse ich dich frei. Doch es ging nicht, denn der Wirt war ein böser Zauberer gewesen, der seine Krüge mit einem schlimmen Nektar füllte, den er writing block nannte. Die Königstochter aber kannte keine Milde. Zu jeder dritten Wochenmitte eines Mondes sollte ihr der Bursche etwas liefern. Der Bursche aber sitzt seitdem in dem Turm und schaut aus seinem Fensterchen auf Oma Porz, auf Tobse -Bongartz und Atze und Pit und muss immer neu mit seinem Griffel auf die Schiefertafel ritzen.