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Nun ist auch das geschafft: Die Zukunft hat ein Ende. Sagen zumindest die Trendforscher vom Gottlieb-Duttweiler-Institut (www.gdi.ch). Die Zukunftsforschung, so das Schweizer Edel-Institut, galt ehemals als Schmuddelkind der Beraterszene, doch sei sie mittlerweile salonfähig geworden. Wurden in den 90er Jahren noch mittels nebulöser Methoden und Schlagworthülsen Zukunfts-Hypes verkündet, biete man jetzt eine Tiefenanalyse vom wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel. Aus Prognosen wird Wissen, so geht das, und die Zukunft verabschiedet sich leise – so verdient sie ihren Namen nimmermehr.

Noch ganz klassisch der Zukunft gewidmet ist hingegen auch in diesem Jahr das Medienforum.NRW in Köln, das Vorzeige-Event in Sachen Medien der NRW-Landesregierung (18.-20.6., www.medienforum.nrw.de, siehe auch Seite 10). Film, Fernsehen und Konvergenz, Chancen, Risiken und Perspektiven und natürlich das alte Thema Geschäftsmodell – sie alle sind wieder dabei, wenn in Vorträgen, Diskussionen und Get-Togethers die Zukunft der Mediengesellschaft erörtert wird. Allerdings stand der Branchengipfel zuletzt in der Kritik: zu teuer, zuviel öffentliches Geld und zu geringe Akzeptanz in der Branche, so die Vorwürfe. Über zwei Mio. Euro lässt das Land auch in diesem Jahr für den Event springen. Rechnet man die Fördergelder auf die zahlenden Besucher um, liegt der Gedanke schon nah, die Teilnehmer zu fragen, ob sie anstelle der im landläufigen Kongresswesen doch häufig redundanten Darbietungen nicht lieber einen Kleinwagen geschenkt bekämen. Was natürlich ungerecht ist, der gesunde Menschenverstand ist hier nur eine böse Chimäre, denn ein veritabler Medienstandort muss schon ordentlich was aufstellen, um mitzuhalten. »Weltspitze!«, hatte Landesvater Jürgen Rüttgers, der auch dieses Medienforum mit einer Grundsatzrede standesgemäß eröffnen wird, vor zwei Jahren an gleicher Stelle ausgerufen, und meinte damit die NRW-Medienbranche. Das mag schon sein, nur hat die CDU-Politik dazu bislang nicht viel beigetragen. Heuer bringt Rüttgers zur Verstärkung unsere Podcast-Kanzlerin Angela Merkel mit.

Mit dem Festival »Großes Fernsehen« (www.grosses-fernsehen.de) bietet das Medienforum zum zweiten Mal begleitend Fernsehproduktionen im Cinedom – ungeachtet des kläglichen Zuspruchs aus der Bevölkerung im letzten Jahr. In der Tat ist der Mehrwert für den Zuschauer eher überschaubar, viele Produktionen laufen zeitnah im Fernsehen, ein klares inhaltliches Konzept lässt sich nicht ausmachen. Außerdem steht das Festival in der Kritik, nur eine mit öffentlichen Geldern finanzierte fade Dublette der seit 15 Jahren profilierten Cologne Conference zu sein. Organisiert wird »Großes Fernsehen« wie auch das Medienforum von der LfM Nova, einem Ableger der Landesanstalt für Medien NRW (LfM), also den Medienwächtern im Sektor. Wie sehr wir diese nötig haben in unserer neuen, heimtückischen Medienwelt, demonstrierte die Anstalt erfrischend lebensnah in ihrer Werbemail zum »Großen Fernsehen«: Wer in der Mail dem Link folgte, landete bei einem barbusigen Samantha-Fox-Lookalike, das­ raffiniert das Höschen lupft, nur ein ganz bisschen, und man denkt, genau, großes Fernsehen eben. Aber schnell wird klar, hier geht’s um Elementares (»Freches Mund­stück verwöhnt live«). Umleitung durch Fremd­ein­wirkung, entschuldigte die LfM anschließend. Jugendschutz live! Ganz gro­ßes Fern­sehen.
Gordon C. Sätter