Vom Stolpern der tiefen Töne zum Tanz der Saiten: Josh Abrams

E Pluribus Unum

Jazz-Bassist Joshua Abrams zieht die Bilanz aus zwanzig Jahren Chicagoer Underground

 

Seit Mitte der 90er Jahre liest man quer durch zahlreiche Chicagoer und weitere amerikanische Jazz-, Postrock- und Improv-Veröffentlichungen immer wieder von Joshua Abrams. Der Bassist ist auf Aufnahmen von Tortoise, Fred Anderson, David Grubbs, Godspeed You! Black Emperor und Bonnie »Prince« Billy zu hören. Aber das Bassisten-Schicksal schlug auch bei ihm zu: Sie gelten nur selten als vollwertige Musikerpersönlichkeiten, meist hingegen als schwer schuftende Rhythmusknechte.

 

Mit der Natural Information Society (NIS) ist Abrams 2010 angetreten, dieses groteske Missverhältnis zu korrigieren und wechselte zur Gimbri, einer dreisaitigen Laute, wie sie in den Maghreb-Ländern gespielt wird. Zusammen mit der Malerin und Harmonium-Spielerin Lisa Alvarado ist er Band-leader, ihren kongenialen Partner finden sie in Schlagzeuger Frank Rosaly, der einen konzentrierten, knapp akzentuierenden Free-Jazz-Puls spielt. 

 

Aus der Perspektive von NIS wird vollends klar, dass Abrams schon immer eine unverzichtbare Größe des so wundersam produktiven Chicagoer Undergrounds zwischen Postrock und Free Jazz war. Abrams denkt die Musik von NIS, von klar gesetzten, tiefen Tönen her, die wie eine Geröll-Lawine langsam und unbezwingbar immer weiter nach vorne drängen. Die Gimbri klingt wie Jack Casadys Bass auf Hendrix’ »Electric Ladyland«: Es ist, als würde Abrams schwere, schwarze Tonblöcke, die früher einmal Magma waren, aus ihr herausmeißeln.

 

Abrams zieht die Bilanz aus den Musiken, die die Chicago Szenen, die oftmals nur durch den »Begleitmusiker« Abrams miteinander verbunden waren, groß gemacht haben: Minimalismus, Weltmusik von algerischen Sufi-Tänzen bis indischen Ragas, Postrock, Soul, freier Jazz in der Tradition des afroamerikanischen Art Ensembles of Chicago. Abrams, Alvarado und ihre wechselnden Mitstreiter gehen an die Klänge nicht naiv heran, sondern verstehen sie als Modulationen ein und desselben zwischenmenschlichen Energiestroms. Das ist keine Esoterik, sondern schlicht und ergreifend offene Interaktion, die, und das ist die originäre Leistung der NIS, sich nie im Beliebigen und Halbformulierten verliert. Sie bringen in ihrer Musik Freiheit und Disziplin zur Deckung.

 

Und das wäre eines der schönsten Urteile, das man über den Chicagoer Underground fällen sollte.

 

 

StadtRevue präsentiert

Konzert: Di 3.4., Stadtgarten, 20 Uhr, Aktueller Tonträger: »Simultonality« (Eremite Records, 2017)