Auf den Sitzen wird gechillt, auf der Bühne sinniert: »Köln spricht« im Alten Pfandhaus, Foto: Marcel Wurm

Kaffee, Kuchen, Kontroversen

Mit Sofas und Teppichen wollen zwei neue Gruppen die politische Debatte für junge Menschen öffnen

Ein Leben ohne Klopapier? »Klar«, sagt Olga Witt, »das geht!« Seit Jahren lebt sie nach dem »Zero-Waste-Prinzip«. Und dank eingebauter Popo-Brause ist selbst die Toilette zur abfallfreien Zone geworden. Während Olga erzählt, sitzen etwa hundert Menschen im Halbkreis um sie herum. Manche haben die Schuhe ausgezogen und strecken ihre Beine auf bunten Perserteppichen aus. Dazu viele Kissen und gedämpftes Licht — fertig ist der Rahmen für »Köln spricht«.

 

Seine Idee sei es gewesen, »eine Plattform für plurale Meinungsbildung und konstruktive Diskussionen« zu schaffen, sagt Fabio Guzzo, Politikstudent und Begründer der Reihe. »Mir hat im Zuge der Flüchtlingssituation vor zwei Jahren jegliche Debattenkultur gefehlt«, erklärt er. »Ich wollte mich mit verschiedenen politischen Einstellungen auseinandersetzen, in meinem Umfeld war es aber schwierig, Gesprächspartner zu finden.« Deshalb erstellte Guzzo auf Facebook eine Veranstaltung mit dem Titel »Kölns erste demokratische Speaker’s Corner«. Die erste Auflage im April 2016 zeigte, dass es an Gesprächsbedarf nicht mangelte. Innerhalb von 24 Stunden hatten weit über tausend Menschen zugesagt.

 

Seitdem rufen Guzzo und seine Mitstreiter jeden ersten Sonntag im Monat dazu auf, an einem Ort in Köln zusammenzukommen, zu diskutieren und Meinungen auszutauschen. Mit der gemütlichen Atmosphäre wollen sie sich von anderen politischen Diskussionen abheben. »Unsere Generation hat Bock teilzuhaben«, sagt Guzzo. »Aber niemand will in irgendwelchen sterilen Räumen am runden Tisch sitzen.« Die Gäste sollen sich wohlfühlen — sie können auch einfach nur zuhören. Dazu gibt es Kaffee und Kuchen, belegte Brötchen und Limonade. Das Motto lautet: »Chillen mit Sinn«.

 

Mehr junge Menschen für Politik zu begeistern, das hat sich auch die »Schule der politische Hoffnung« zum Ziel gesetzt. Seit vergangenem Herbst organisiert die Kölner Initiative Veranstaltungen, bei denen das Publikum im Mittelpunkt steht. »Wir wollen mit den Leuten gemeinsam konkrete Ideen entwickeln und aktiv werden«, sagt Gründerin Corinna Ujkasevic. Die Gruppe bezieht dabei Stellung: »Wir positionieren uns Mitte-links bis links«, sagt die 28 Jahre alte Rechtsreferendarin. In diesem Punkt unterscheidet sich die Initiative von »Köln spricht«, die sich als neutral versteht. »Bei uns gibt es kein Richtig oder Falsch«, sagt Guzzo. »Es gibt nur Argumente, die aufeinanderprallen.« Etwa wenn auf der Veranstaltung im März über Funktion und Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks diskutiert wird. Tabu sind laut Guzzo rassistische, diskriminierende oder verschwörungsideologische Positionen. »Unser Ziel ist es, die Breite der Gesellschaft abzubilden, aber das ist gleichzeitig auch die größte Herausforderung.«

 

Um ein möglichst breites Publikum anzusprechen, tourt Guzzo mit seinem Team immer freitags vor der Veranstaltung durch Kioske und macht Werbung. Viele Gäste kommen gerade wegen der Debatten. »Für mich geht es darum, hier und überall im Leben auszuhalten, dass es auch andere Positionen gibt«, sagt Judith, als sie im März zum ersten Mal bei »Köln spricht« ist. Doch nicht jedes Thema erzeugt auch eine Kontroverse. »In Sachen Müll sind sich ja eigentlich alle einig«, sagt die 38 Jahre alte Kölnerin. »Keiner würde sagen: Das ist Quatsch, was du da machst.« Persönliche Geschichten wie die von Zero-Waste-Aktivistin Olga Witt nehmen die Organisatoren von »Köln spricht« bewusst mit ins Programm. So wollen sie dafür sorgen, dass die Schwelle zur Teilnahme nicht zu hoch ist. Dafür eignet sich dann auch Klopapier.

 

»Köln spricht« findet wieder am 8. April statt. Aktuelle Informationen unter koeln-spricht.de.