Der Filmclub 813 widmet sich dem komplexen Werk Alfred Brauns

Filmgeschichte auf Kölner Leinwänden

Eine ähnlich ambitioniertes und relevantes Filmprogramm wird wohl von niemand sonst in den nächsten Monaten in Köln zu erwarten sein. Der Filmclub 813 präsentiert ab Mai eine Retrospektive des Autors, Regisseurs und Schauspielers Alfred Braun — meines Wissens die erste überhaupt. Zumindest in Bezug auf seine Arbeit als Filmemacher ist sie auf Vollständigkeit angelegt — er führte auch Regie im Theater und bei Hörspielen.

 

Der 1888 geborene Berliner taugt als Extrembeispiel typisch deutscher Lebens- und Schaffensgeschichte. In den 20er Jahren ist er beliebter Radioreporter und überzeugter Sozialdemokrat, was 1933 zu mehreren Monaten KZ-Haft führt. Es folgt die Emigration: zunächst in die Schweiz, dann in die Türkei. 1939 geht es aber wieder heim ins Reich, wo Braun zum engsten Mitarbeiter des »Jud Süß«-Regisseurs Veit Harlan wird — was ihm nach dem Zweiten Weltkrieg allerhand Probleme mit den Westalliierten bereitet.

 

Von diesen Etappen berichtet der Mai. Zum Auftakt läuft Friedrich Zelniks geflissentliches Entertainment »Spione im Savoy Hotel« (1932). Braun spielt sich darin selbst: einen berühmten Radioreporter, der unter anderem live von der Beerdigung von Außenminister Stresemann und der Verleihung des Literaturnobelpreises an Thomas Mann berichtet, der sich aber sich auch als gewitzter Ermittler erweist. Dazu passt, dass diverse Stars der Ära, allen voran die Comedian Harmonists, ebenfalls auftreten — ein reichsdeutsches Popkulturfest. Für die Harlan-Jahre stellvertretend wird zu recht das Melodram »Immensee. Ein deutsches Volkslied« (1943) gezeigt. Denn: Wenn einer der Harlan-Filme ahnen lässt, was Braun später selber machen wird, dann dieser.

 

Man betrachte zum Vergleich den Überläufer »Augen der Liebe/Zwischen Nacht und Morgen« (1944/51), mitverfasst und produziert von Harlan, gestaltet von Braun. Wobei dieses Melodram im Ton um einiges gelassener gehalten ist als das Gros von Harlans Filmen, er wirkt wie aus Marmor, distanziert, etwas kantig — toll! Ähnliches ließe sich auch über »Mädchen hinter Gittern« (1949) sagen, einem erzieherisch gesonnenen, manchmal lüstern blickendem »Zeitfilm«. So nannte man in der alten Bundesrepublik Werke, die aktuelle Probleme konzentriert behandeln, in diesem Fall anhand einer Gruppe inhaftierter Frauen. Es sagt viel über das entspannte Verhältnis zur Moral des jüdischen Produzenten des Films Artur Brauner aus, dass er sich bloß bedingt an Brauns Vergangenheit im Herzen des morbus Nazikino stieß. Er hielt sich stattdessen daran, was jemand konnte und zu leisten versprach, sollte er, und das war wichtig, etwas aus seinen Fehlern gelernt haben.

 


Infos: filmclub-813.detext