Schwarzlicht

Krimioverkill oder Globalisierung der Erzählkultur? Wie im Fernsehen, so auch in der Literatur? Die Grenzen zwischen U und E, zwischen Genre und Bildung, zwischen Information und Unterhaltung fallen. Krimi ist immer und überall, und manchmal führt das nicht zum Overkill, sondern zu Hybriden mit Mehrwert – wie bei dem erstaunlichen Roman »Brazzaville Beach« von William Boyd.

Der englische Bestsellerautor erzählt die Geschichte der Verhaltensforscherin Hope Clearless, die in einer Strandhütte am Brazzaville Beach im Kongo lebt, sich von Gelegenheitsjobs ernährt und über die Ereignisse nachdenkt, die sie dorthin brachten: Zum einen die gescheiterte Ehe mit einem so wirren wie brillanten Mathematiker, zum anderen ihre Arbeit an einem groß angelegten Projekt der Primatenbeobachtung im Dschungel Kongos, bei der sie es sich wegen unerwünsch­ter Forschungsergebnisse mit ihrem Chef verdarb.

Großartig, wie William Boyd verschiedene gewichtige Themen verzahnt: Er erlaubt spannenden Einblick in die Verhaltensforschung, berichtet beiläufig aber eindringlich von den afrikanischen Problemen, erzählt nebenbei eine unkitschige Liebesgeschichte, zeichnet das Portrait einer modernen, selbstbewussten Wissenschaftlerin und liefert fundamentale Wissenschaftskritik. All das mit den Mitteln des Kriminalromans, ohne dass »Brazzaville Beach« ein Genre­roman wäre – so brillant, dass man mit Hochspannung die Primatenforscherin beim Primatenbeobachten beobachtet.

Richtig klasse das, und dabei wäre uns dieses Buch beinahe entgangen: »Brazzaville Beach« (schon 1990 auf dem englischen Markt) wird vermutlich nur deshalb durch stapelweises Ausliegen auf den Wühltischen zum Taschenbuch-Erfolg gemacht, weil derselbe Autor derzeit mit seinem Thriller »Ruhelos« die Bestsellerlisten beherrscht. Gut so.