D.O.T.P.O.T.A, Ross Downes, zu sehen im Matjö

Ausstellen auf eigene Gefahr

Bei AIC ON 2018 präsentiert sich die freie Kunstszene Kölns. Im Alltag machen ihr Verwaltung und Vermieter das Leben schwer

Ende letzten Jahres formulierte das Kulturdezernat drei Leitprojekte, die bis 2021 realisiert werden sollen, eines davon ist die Stärkung der »freien Szene als Akteur der Stadtgesellschaft«. Der Erhalt von Ausstellungs- und Atelierräumen steht dabei im Vordergrund. Wie lebendig diese freie, meist ehrenamtlich arbeitende Szene immer noch ist, zeigt sich vom 15. bis 17. Juni, wenn das Netzwerk »Art Initiatives Cologne« (AIC), bestehend aus 45 freien Kunsträumen und Initiativen, unter dem Titel »AIC ON« zu Ausstellungen, Konzerten, Performances und Stadtteilführungen einlädt. Was allerdings nicht heißt, dass die freie Szene überall die Unterstützung erfährt, die das »Leitprojekt« verspricht.

 

Nach den Ereignissen um die Kunsträume am Ebertplatz und der Etat-Kürzung der Akademie der Künste der Welt sind derzeit gleich drei traditionsreiche Ausstellungsräume von Baumaßnahmen, Führungs- und Eigentümerwechsel betroffen. Zum Spielball politischer und persönlicher Interessen wurde zuletzt die Ausstellungshalle »Werft 5 — Raum für Kunst« im Kunsthaus Rhenania im Rheinauhafen. Der Bayenwerft e.V., der einen Teil der im Atelierhaus ansässigen Künstler vertritt, wurde 2016 als Mieter der Halle von Kulturmanager André Sauer und der Künstlerin Lyoudmila Milanova abgelöst, die dort ein erfolgreiches, spartenübergreifendes Ausstellungsprogramm boten. Ihr Mietvertrag läuft im Sommer aus. Die Neuausschreibung wurde kompliziert, als der Verein die Halle zurückforderte. Über mehrere Monate arbeitete das Kulturamt an einem Kompromiss, der die Interessen der gesamten Künstlerschaft, der Kuratoren und der HGK (Häfen und Güterverkehr Köln) als Eigentümerin des Geländes berücksichtigen sollte. Der Verein konnte im Laufe der Auseinandersetzung kein schlüssiges Konzept für den Ausstellungsbetrieb vorlegen. Dennoch stimmte eine Mehrheit aus CDU, FDP und Grünen im Kulturausschuss im März völlig überraschend dafür, ihm den Mietvertrag erneut zu übertragen — ohne Ausschreibung und gegen die Pläne des Kulturamts. Auch gegen den Willen einiger im Rhenania ansässiger, namhafter KünstlerInnen wie Angie Hiesl, Andrea Morein und weitere, die in einem Protestschreiben an die Kulturausschussmitglieder erklärten, die Entscheidung nicht anzuerkennen. Ein politisch verursachter Scherbenhaufen.

 

Anders liegt der Fall bei der »Fuhrwerkswaage« am Bahnhof Sürth, Kölns ältestem freien Kunstraum. Seit vierzig Jahren leitet Jochen Heufelder, unterstützt von einem regen Förderverein, die Kunsthalle. 2016 stellte sich ihm ein Investor vor, der das Gelände von der HGK gekauft hatte. Zunächst zeigte der sich begeistert von der Halle, lediglich das Dach müsse saniert werden. Ein Jahr später weht ein anderer Wind: Heufelders Mietvertrag läuft 2020 aus und könne erst verlängert werden, wenn eine Baugenehmigung für das Gelände vorliegt. Der Plan sieht zwei Neubauten vor, die eine Nutzung der Halle unmöglich machen: Ein Kinderspielplatz versperrt die Zufahrt zum Kunstraum, die Rampe für die obligatorische Tiefgarage braucht Platz. »Man spricht nicht mit uns«, sagt Heufelder, aber er und seine Mitstreiter machen sich auf alles gefasst. Nun appellieren sie an das Stadtplanungsamt, sich für den Bestand der Institution einzusetzen, schließlich bietet sie nicht nur dem Nachwuchs eine Bühne, sondern hat über die Jahre Ausstellungen aller namhaften Kölner Künstler beherbergt. 

 

Schnöde Materialermüdung ist das Problem der städtischen »Simultanhalle« in Volkhoven. In dem 1979 von den Architekten Busmann + Haberer als Testbau für das Museum Ludwig errichteten Gebäude wird seit 1983 von einem wechselnden jungen Kuratorium ein ambitioniertes Ausstellungsprogramm realisiert. Im Winter kam der Bescheid: Einsturzgefahr, die schon lange marode Halle darf nicht mehr betreten werden. Das Kulturamt rief zum Gespräch, das Kuratoren-Team holte den Architekten Godfried Haberer ins Boot, der bestätigte: Eine Sanierung sei nicht mehr sinnvoll. Das Kulturamt möchte den Ausstellungsort im Kölner Norden gern erhalten und das alte Gebäude durch einen Neubau ersetzen, auf Dauer angelegt statt als Provisorium. Der Plan, der in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden soll, sieht zudem Ateliers und Räume für die freie Szene auf dem Gelände vor. Ein mögliches Happy End, jedoch: Was »fünf Jahre« in der Zeitrechnung Kölnischer Bauvorhaben heißen, muss nicht näher erläutert werden. 

 

Ein Teil des Programms der Simultanhalle wird nun im Kunstwerk in Deutz (»Deutschlands größtes selbstverwaltetes Künstlerhaus«) stattfinden. Eine vielversprechende Partnerschaft, denn im »PiK« (Projektraum im Kunstwerk) kann man seit einiger Zeit sehen, wie es läuft, wenn Künstler, Ausstellungsmacher und Kulturamt produktiv zusam-men-arbeiten. Die letzte Schau »Field of Codes« zur Art Cologne zog zahlreiche Besucher an, Museumskuratoren und Messegäste trafen sich bei Bratwurst und Bier. Markus Saile, als Mitglied des Kuratoriums für die Ausstellungskonzeption verantwortlich, ist es wichtig, dass das Programm über das Kunstwerk hinaus an die Kunstszene anschließt und Gastkuratoren und internationale Künstler miteinbezieht. 

 

Dieses Modell wäre übrigens auch eine Blaupause für die »Werft 5« gewesen. Das Netzwerk AIC jedenfalls setzt mit der Veranstaltung AIC ON nicht auf Nabelschau, sondern auf Austausch. Und auf die Zukunft: Neben langjährigen Profis wie kjubh oder Glasmoog sind neue Mitspieler wie »Ung 5«, »LTK 4« und »STRITTZI« (vorher »Brauchbarkeit« zu entdecken. Ganz im Sinne des AIC-Mottos: »Most stories begin with a simple, but surprisingly effective: Hi!«

 

 

AIC ON | 15.–17.6.

Alle im Text erwähnten Räume und das Programm zu AIC ON finden sich auf aic.cologne

 

Short Guide: 


Fr ab 18 Uhr Auftakt (Eröffnungen & Events, div. Orte)

Sa 14–19 Uhr geführte Touren, ab 19 Uhr gemeinsames Sommerfest von AIC & King Georg & Werft 5 (Werft 5)

So ab 10 Uhr Chill-Out mit Frühstück & Gespräch (Simultanhalle), Film-
Matinee (Opekta) und Picknick (10qm)