Kämpft um die Lufthoheit: Umweltdezernent Harald Rau, Foto: Dörthe Boxberg

»Abwarten wird uns nicht weiterhelfen«

Umweltdezernent Harald Rau über schlechte Luft, Fahrverbote und Politiker, die Gesetze ignorieren

 

Herr Rau, die Diskussion um Dieselfahrverbote ist ruhiger geworden. Wie kommt das?

 

In Köln befinden wir uns in einem Spagat: Die Umweltfraktion möchte schnell viel bewegen. Die konservative Verkehrs- und Wirtschaftsfraktion möchte die Dominanz des Autos bewahren. Aber: Der Rat hat beschlossen, dass die Gesundheit der Menschen in Köln an erster Stelle steht. Und er hat sich für eine Blaue Plakette ausgesprochen.

 

 

Aber die Blaue Plakette wird die Bundesregierung bislang nicht einführen. Fühlen Sie sich vom Bund im Stich gelassen?

 


Natürlich. Die Bundesregierung nimmt die betrügerische Autoindustrie in Schutz, indem sie Hardware-Nachrüstungen ablehnt. Das Volumen des Diesel-Fonds ist ja nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und uns wird eben die Blaue Plakette verwehrt, die der Städtetag und auch wir in Köln eingefordert haben.

 

 

Blieben dann nur generelle Fahrverbote?

 


Mein Ziel sind nicht Fahrverbote, sondern saubere Luft. Manche Menschen, auch NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, behaupten aber, dass sich die Werte verbessern. Eine ausreichende Verbesserung findet sich aber nur, wenn man die Zeitachse weit genug spannt. Wenn man sich die vergangenen Jahre anguckt, kann ich zum Beispiel am Clevischen Ring in Mülheim keinen positiven Trend erkennen.

 

 

Können die 56 Maßnahmen, die der Runde Tisch zur Luftreinhaltung erarbeitet hat, nicht helfen?

 


Die Effekte von Verkehrsverflüssigung, umwelt-sensitiven Verkehrssteuerung und Tempo-30-Zonen oder Tempo-40-Zonen sind viel zu gering. Ohne Fahrverbote werden wir in Köln bis 2020 überhaupt nicht unter die Grenzwerte kommen — und auch mit Fahrverboten nicht hinreichend. Allein mit kleinen Maßnahmen werden wir das Problem nicht lösen.

 

 

Ministerpräsident Laschet (CDU) will keine Fahrverbote verhängen. Er hat angedeutet, sich den Urteilen der Gerichte nicht zu beugen.

 


Ich war von den Aussagen überrascht bis entsetzt. Spitzenvertreter unserer Gesellschaft können das Recht nicht einfach ignorieren. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass Herr Laschet seine rechtsbrechende Haltung beibehält. Juristisch herrscht weitestgehend Klarheit. Ich höre trotzdem häufig Aussagen wie »Fahrverbote verhindern ist das oberste Ziel«. Oder Formulierungen wie »Der Kelch soll an uns vorübergehen«. Abwarten wird uns nicht weiterhelfen.

 

 

Fahrverbote zu vermeiden, wäre doch sinnvoll.

 


Wenn man andere Maßnahmen hätte, die die Luft sauberer machen würden! Die haben wir aber offensichtlich nicht. Und Fahrverbote zu verhindern, ohne Alternativen zu haben, ist nicht sinnvoll — und offenbar ja auch nicht rechtmäßig.

 

 

Was tun, wenn kleine Maßnahmen nichts nützen und größere nicht vom Bund gefördert werden? 

 

Viele europäische Städte haben ähnliche Probleme und arbeiten an Lösungen. Brüssel führt gerade eine neue Umweltzone mit einem vollautomatisierten Kennzeichen-Erkennungssystem ein. Man kann zuordnen, welches Fahrzeug welcher Luftverunreinigungs-Kategorie angehört. Alle Autos dürfen in die Stadt, aber wenn man ein stark emittierendes Auto fährt, zahlt man eine hohe Gebühr. In Straßburg wird es ein ähnliches Modell geben.

 

 

Ein moderner Ablasshandel.

 

 

Wir akzeptieren es in vielen Bereichen, dass unser Verhalten über Steuern reguliert wird. Warum nicht im Bereich der Mobilität? Ich will über Anreize reden, nicht über Verbote. Wenn wir ein kluges Anreiz-System schaffen, das die gesunde Kreativität der Menschen fördert, wird das funktionieren. Und die Stadt hätte eine zusätzliche Einnahmequelle, um die marode Verkehrsinfrastruktur zu verbessern. Solche Lösungen sind zwar in Teilen sozial ungerecht, aber eine gewisse Art von Ungerechtigkeit wird wahrscheinlich nicht vermeidbar sein.

 

 

Müssten die Städte für Einrichtung und Kontrolle solcher aufwendigen Systeme aufkommen?

 


Ich erwarte, dass der juristische Druck die Bundesregierung erhellen wird. Die Verfahren der Deutschen Umwelthilfe für bessere Luft tun der Bundesregierung offenbar nicht weh. Aber das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof wird wehtun — weil es Deutschland zu Milliardenzahlungen zwingen wird. Die Bundesregierung wird den Kommunen im größeren Umfang Mittel zur Verfügung stellen müssen. Das wurde auch schon angekündigt.

 

 

Wie wollen Sie den Bürgern solche Lösungen näherbringen?

 


Man kann Menschen von einem modernen, intelligenten, ökologischen Leben in der Stadt begeistern, wenn man es erlebbar macht. Erlebbarkeit bringt das Gefühl der Machbarkeit. Es kann mir niemand erzählen, dass er Sehnsucht danach hat, morgens 30 Minuten im Stop-and-Go durch die Stadt zu fahren.

 

Schlechte Luft ist allerdings auch schlecht erlebbar.

 


Bei mir kommt das sicherlich selektiv an, aber ich höre von immer mehr Menschen, die die schlechte Luft sehr wohl körperlich spüren und sich unwohl fühlen. Wir haben Not! Und ich werde das Meine dazu beitragen, dass die Debatte wieder Fahrt aufnimmt.